Arbeitssitzung des IUM zu Hybrid-TV
Das Institut hat am heutigen Freitag eine Arbeitssitzung zum Thema »Rechtliche Herausforderungen des Hybridfernsehens« - gewidmet Herrn Prof. Dr. Günter Herrmann zum 80. Geburtstag - veranstaltet. Nach Einführung von Prof. Dr. Jürgen Becker (IUM) und Eva-Maria Michel (WDR) referierte Dr.-Ing. Klaus Illgner-Fehns vom »Institut für Rundfunktechnik (IRT)« über die Technik des Hybridfernsehens. Anhand des vom »IRT« entwickelten »Hybrid Broadcast Broadband TV (HbbTV)« erläuterte er, welche Möglichkeiten der Kombination von linearen Rundfunkprogrammen und non-linearen Internetangeboten es gibt. Dabei hob er hervor, dass es in der Regel eine begrenzte Auswahl von »Widgets«, wie die Web-Applikationen im Hybridfernsehen genannt werden, gibt. Nur in wenigen Angeboten hat der Nutzer die Möglichkeit, per URL-Eingabe selbst eine Medienauswahl zu treffen. Im Fall von »HbbTV« eröffnet ein roter Knopf das Internetangebot, beispielsweise die Mediathek eines Rundfunkunternehmens.
Die folgenden drei Vorträge galten den juristischen Aspekten des Themas. Dr. Michael A. Wagner (EBU/Genf) erläuterte, dass durch die unkontrollierte Einblendung von Internetinhalten die Integrität und der Schutz von Rundfunkprogrammen auf dem Spiel stehe. Daher erarbeite die EBU zurzeit Grundprinzipien für das Hybridfernsehen, durch die der Schutz geistigen Eigentums gewährt werden. Nach Ansicht der ersten beiden Redner entsteht ein grundlegender Konflikt durch die Verschmelzung von - stark regulierten - Rundfunkprogrammen mit - weniger regulierten - Internetangeboten. Beispielsweise sei eine Einflechtung von Werbung aus dem Internet möglich, wo im Rundfunkprogramm der RStV Grenzen setzt. Peter-Christoph Weber (ZDF) und Dr. Tobias Schmid (RTL) waren sich einig, dass das Geschäftsmodell Hybridfernsehen nur mit einigen Änderungen im Medienrecht dauerhaft erfolgreich sein kann. Klarstellungen seien unter anderem in § 48 Abs. 2 Nr. 2 TKG (Interoperabilität von Fernsehgeräten), § 52 a Abs. 3 RStV (Verbot der technischen Veränderung von Rundfunkprogrammen durch Plattformanbieter) und § 52 c RStV (technische Zugangsfreiheit zum Rundfunkprogramm auf Plattformen) erforderlich. Werbeangebote aus dem Internet, die durch »Pop-ups« über das Rundfunkprogramm gelegt werden, seien nach den Normen des RStV als technische Änderungen nicht zulässig.
Im Urheberrecht wird von beiden übereinstimmend eine Anpassung von §§ 87, 20 b UrhG gefordert, die nicht auf getrennte Übertragungswege ausgerichtet seien. Beim Hybridfernsehen finde aber keine zeitgleiche integrale Kabelweitersendung mehr statt. Inhalte würden durch Einblendung von »Widgets« und »Pop-ups« verändert. Sendeunternehmer seien hiergegen nicht ausreichend geschützt. Eine technische Betrachtung ihres Leistungsschutzrechtes müsse zugunsten einer wirtschaftlichen Betrachtung geändert werden. Das Kabelweitersendungsrecht müsse vor dem Hintergrund der Technologiekonvergenz vom Kabel auf alle Verbreitungswege und non-lineare Inhalte erweitert werden. Hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Aspekte verwies Dr. Tobias Schmid (RTL) auf die Entscheidungen »Set-Top-Box« und »Fernsehfee« (s.u.). Problematisch sind auch der Jugendschutz (z.B. bei Erotik-»Widgets« im Kinderprogramm) und der Datenschutz (Erstellung von Profilen über das Fernsehverhalten von Nutzern).
Am Schluss unterstrich Dipl.-Ing. Gerhard Schaas (Loewe) die Sicht der Endgerätehersteller, dass eine Vielzahl an Standards, aber auch - besonders auf europäischer Ebene - Normen benötigt würden, um das komplette Hybrid-Angebot zu implementieren.
Die Beiträge werden voraussichtlich in ZUM 2011, Heft 6 abgedruckt.
Am 8. April 2011 findet im »ARRI«-Kino in München ein Symposium der Macromedia Hochschule für Kommunikation und Technik mit dem Thema: »HYBRID-TV: Liegt die Zukunft des Fernsehens in der Vernetzung?« statt.
Dokumente:
- Informationsfilm zu HbbTV
- Programm der Veranstaltung vom 25. März 2011
- Urteil des OLG Köln vom 8. Oktober 2004, Az. 6 U 113/04 (Set-Top-Box), ZUM-RD 2005, 32 (Volltext bei Beck Online)
- Urteil des LG Berlin vom 7. Dezember 1999, Az. 15 O 352/99 (Fernsehfee), ZUM-RD 2000, 144 (Volltext bei Beck Online)
Institutionen:
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