Bundesverfassungsgericht hebt Anordnung zu Fernsehaufnahmen in einem Strafverfahren teilweise auf
Mit Beschluss vom 3. April 2009 hat das Bundesverfassungsgericht die sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden der 22. Strafkammer des Landgerichts Berlin über die Anfertigung vom Bild- und Tonaufnahmen im Strafprozess bis zur Entscheidung in der Hauptsache teilweise aufgehoben (Az.: 1 BvR 654/09). Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hatte Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung des Richters erhoben, der im Strafverfahren um den alkoholbedingten Tod eines Jugendlichen Film-, Ton- und Fotoaufnahmen im Sitzungssaal und dem davor liegenden Sicherheitsbereich und nur vor der Verhandlung, nicht aber in den Verhandlungspausen und nach Ende der Sitzung, zugelassen hatte. Zusätzlich hatte der Richter angeordnet, dass eine Bildberichterstattung über den Angeklagten nur anonymisiert erfolgen dürfe. Dem Angeklagten und seinem Anwalt war es gestattet, den Saal erst nach Aufruf der Sache über den Gefangenenaufgang zu betreten.
Im Rahmen einer Folgenabwägung stellten die Verfassungsrichter fest, dass das Berichterstattungsinteresse der Rundfunkanstalt insoweit überwiegt, als über die Anordnung einer Anonymisierung hinaus praktisch jede Anfertigung von Fernsehbildern des Angeklagten und seinem Verteidigers verhindert wird. Dabei wurde neben möglichen Beschränkungen der Presse- und Rundfunkfreiheit, der Schwere der vorgeworfenen Tat sowie den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen auch das öffentliche Interesse an dem Strafprozess berücksichtigt, der in die aktuelle gesellschaftliche Diskussion um den übermäßigen Alkoholkonsum von Jugendlichen fällt.
Zwar werde die Fernsehberichterstattung aus dem Gerichtsaal durch die Anordnungen des Vorsitzenden nicht vollständig untersagt, aber wesentlich eingeschränkt da es durch das Verbot von Aufnahmen in Pausen und am Ende der Verhandlung praktisch unmöglich sei, Fernsehbilder des Angeklagten und seines Verteidigers anzufertigen. Deshalb dürften die einzelnen Maßnahmen nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang betrachtet werden. Die richterliche Beschränkung der Aufnahmen auf den Zeitraum vor der Verhandlung sei vorläufig aufzuheben, da die Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit aus den vorgenannten Gründen zu stark eingeschränkt würden. Zugleich liege hierin ein schwerer Nachteil im Sinne von § 32 Abs. 1 BVerfGG, so die Begründung der Verfassungsrichter. An der Anonymisierungsanordnung sei hingegen festzuhalten, da hier die drohenden Beeinträchtigungen des Angeklagten überwiegen.
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