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28.07.2003; 14:52 Uhr
Napster-Sammelklage wird Bertelsmann zunächst nicht zugestellt
BVerfG: möglicher Verstoß gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats

Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) darf Bertelsmann die von mehreren US-Musikkonzernen und Künstlern eingereichte Sammelklage gegen das Gütersloher Unternehmen für die Dauer von sechs Monaten, längstens bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zustellen. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) laut einer Pressemitteilung des Gerichts vom 25.7.2003 per einstweiliger Anordnung vom selben Tag (Az.: 2 BvR 1198/03). Im Fall hatten etwa 160.000 Urheber und Musikverleger, darunter EMI und Universal, Schadensersatzklage in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar beim US-Bezirksgericht in New York eingereicht. Die Kläger werfen dem deutschen Medienkonzern vor, durch Zurverfügungstellung von Krediten und Führungskräften an Napster Beihilfe zu umfangreichen Urheberrechtsverletzungen geleistet zu haben. Das Unternehmen hätte die Rechtsverletzungen durch die Nutzer von Napster billigend in Kauf genommen, um bei einer späteren Übernahme der Tauschbörse Zugriff auf einen möglichst großen Kundenstamm zu bekommen. Ohne die Finanzspritzen aus Gütersloh hätte die Tauschbörse, die im Juni 2002 Konkurs anmelden musste, sehr viel früher ihren Betrieb einstellen müssen. Zum Vorwurf machen die Kläger es Bertelsmann vor allem, dass das Unternehmen seine Zahlungen nicht von der Abstellung von Urheberrechtsverletzungen abhängig gemacht habe.

Die Zustellung der Klageschrift in Deutschland ist Prozessvoraussetzung nach US-amerikanischem Recht und nach deutschem Recht die Voraussetzung für die Anerkennung des später ergehenden, ausländischen Urteils. Gegen die von der Präsidentin des OLG als zuständige Behörde auf der Grundlage des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland (HZÜ) erlassene Zustellungsanordnung ging Bertelsmann vor dem OLG erfolglos vor und legte gegen diese gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache Verfassungsbeschwerde ein. Die Untersagung der Zustellung im einstweiligen Verfahren begründeten die Richter am BVerfG mit der Möglichkeit, dass das Ziel der ausländischen Klage offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstoßen könnte. Laut der Pressemitteilung könnte deutsches Verfassungsrecht verletzt werden, wenn Verfahren vor staatlichen Gerichten in einer »offenkundig missbräuchlichen Art und Weise genutzt werden, um mit publizistischem Druck und dem Risiko einer Verurteilung einen Marktteilnehmer gefügig zu machen«. Die Entscheidung beruht auf einer Folgenabwägung. Hierbei werden die negativen Folgen einer einstweiligen Anordnung mit den Nachteilen verglichen, die ohne den Erlass dieser Anordnung eintreten würden. Während die Richter für die Kläger des US-amerikanischen Ausgangsverfahren im ersten Fall keine gewichtigen Nachteile erkennen konnten, sahen sie den Beschwerdeführer im Fall der Zustellung der Klage der Gefahr einer Verurteilung im US-amerikanischen Verfahren ausgesetzt. Aus dem entsprechenden Urteil könnte zumindest in das in den USA belegene Vermögen vollstreckt werden.

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