Heftige Kritik an Kompromiss zu neuem Urheberrecht
Wenige Tage nach der Beratung der Urheberrechtsreform im Rechtsausschuss des Bundestages gibt es seitens der Verwertungswirtschaft heftige Kritik an dem parteiübergreifenden Kompromiss zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der Vorsitzende des Börsenvereins für den Deutschen Buchhandel (Börsenverein), Dieter Schormann, bewertete die Einigung als "falsches Signal für den Bildungsstandort Deutschland". Das Gesetz sei zwar an sich notwendig, werde aber durch die umstrittene geplante neue Schrankenregelung zu Gunsten öffentlicher Bildungseinrichtungen "entwertet". Der Börsenverein hoffe, dass der Bundesrat gegen den Gesetzentwurf Einspruch einlegen werde. Unabhängig davon kündigte Schormann an, dass der Börsenverein gegen die Regelung "gerichtlich vorgehen" werde. "Es kann nicht sein, dass der Staat Bücher und Zeitschriften auch dann nutzen darf, wenn er sie nicht bezahlt hat. Wenn sich Kreativität von Autoren und Investitionen von Verlagen und Buchhandlungen nicht mehr auszahlen, geraten Bildung und Forschung in Deutschland in eine Sackgasse", warnte Schormann. Kritische Töne kamen auch vom Verband der Schulbuchverlage (VdS). Zwar sei zu begrüßen, dass nach dem Kompromiss Schulbücher, Unterrichtsunterlagen und Lern- und Bildungssoftware von der geplanten neuen Schrankenregelung ausgenommen würden. Dass die Vorschrift im Übrigen beibehalten worden sei, mache das Gesetz aber zum "Stückwerk".
Der Rechtsausschuss des Bundestages hatte am 9.4.2003 mehrheitlich einen rot-grünen Kompromissvorschlag zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf für ein Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (BT-Drs. 15/38) verabschiedet. Für den Kompromissvorschlag stimmten die Abgeordneten von SPD, Grünen und "schweren Herzens" auch die Abgeordneten der CDU/CSU. Gegen den Entwurf sprachen sich dagegen die Vertreter der FDP aus. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in deutsches Recht. Kernbestandteile des Entwurfs sind die Einführung eines neuen Rechts der Urheber zur öffentlichen Zugänglichmachung, die Überarbeitung einer Reihe von Schrankenbestimmungen und die Schaffung eines umfassenden Rechtsschutzes von technischen Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Inhalte. Meinungsverschiedenheiten hatte es im Rechtsausschuss vor allem um die umstrittene geplante neue Schrankenregelung zu Gunsten öffentlicher Bildungseinrichtungen gegeben. Die Liberalen hatten sich der Kritik von Teilen der Verwertungswirtschaft angeschlossen, dass der Gesetzentwurf zu einer "Enteignung von Nutzungsrechten" führe. Die Mitglieder des Rechtsausschusses sprachen sich mehrheitlich dafür aus, dem Bundestag eine Befristung der Regelung zu empfehlen. Die Vorschrift soll zunächst nur bis zum 31.12.2006 gelten. Anschließend soll überprüft werden, ob es in der Anwendung der Regelung zu Missbräuchen kommt. Für diesen Fall soll der Gesetzgeber unter Umständen auch schon vor Ablauf der Befristung eingreifen. Der Bundestag soll am 11.4.2003 in zweiter und dritter Lesung abschließend über die Urheberrechtsreform entscheiden.
Dokumente:
- Pressemitteilung des Börsenvereins v. 9.4.2003
- Pressemitteilung des Verbands der Schulbuchverlage v. 10.4.2003
- Mitteilung des Bundestages v. 9.4.2003
- Formulierungshilfe der Berichterstatter der Koalitionsfraktionen v. 14.3.2003 (Vorblatt, 15 S.)
- Formulierungshilfe der Berichterstatter der Koalitionsfraktionen v. 14.3.2003 (Antrag, 30 S.)
- Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 6.11.2002 (BT-Drs. 15/38)
Institutionen:
Permanenter Link zu dieser News Nr. 1235:
https://www.urheberrecht.org/news/1235/
Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.
Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.
Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!
Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.