Geteiltes Echo auf neues Urheberrecht
Auf ein geteiltes Echo stößt das vom Bundestag am 11.4.2003 beschlossene neue Urheberrecht. Vertreter der Verwertungswirtschaft begrüßten die Neuregelungen grundsätzlich, meldeten aber bereits zahlreiche Forderungen für den von der Bundesregierung angekündigten "zweiten Korb" der Urheberrechtsreform an. Die Änderungsvorschläge betreffen vor allem das sogenannte Recht zur Privatkopie, die Höhe der als Ausgleich für dieses Recht erhobenen Urheberrechtsabgaben und die Erhebung dieser Abgaben auf digitale Geräte wie PCs, Drucker und CD-Brenner. Kritische Töne an der Urheberrechtsreform kamen dagegen von Verbrauchervereinigungen. Sie warfen dem Gesetzgeber vor, die neuen Regelungen stellten keinen ausgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen von Verwertern und Nutzern dar. Besonders kritisiert wurde, dass durch das künftige Verbot der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen das Recht zur Privatkopie im digitalen Bereich im Ergebnis abgeschafft werde.
Ihre grundsätzliche Zustimmung zur Urheberrechtsreform äußerte die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie sei "ein Schritt in die richtige Richtung", erklärte die Verwertungsgesellschaft am 14.4.2003. Die GEMA begrüßte es, dass der Gesetzgeber das "richtige und in Europa weitgehend übernommene" gesetzliche Recht zur Vervielfältigung zu privaten Zwecken gegen Vergütung beibehalten habe. Nun müsse es darum gehen, die Vergütungssätze auf eine angemessene Höhe anzuheben. Dass die zuletzt im Jahr 1985 angepassten Beträge nicht mehr angemessen seien, habe die Bundesregierung bereits in ihrem Zweiten Vergütungsbericht festgestellt. Daraus müssten in der laufenden Legislaturperiode die richtigen Schlüsse gezogen werden. "Wir fordern die Bundesregierung auf, in dem geplanten Korb 2, also in der angekündigten weiteren Urheberrechtsnovelle, die Vergütung für das private Kopieren anzuheben, um die Angemessenheit der Vergütung für den schöpferischen Urheber wieder herzustellen", erklärte der Vorstandsvorsitzende der GEMA, Reinhold Kreile. Ausdrücklich begrüßt wurde von der Verwertungsgesellschaft auch das künftige Verbot der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen.
Eher enttäuscht über das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens zeigte sich der Bundesverband Informationstechnik, Telekommunikation und Neue Medien (BITKOM). Der Verband kritisierte, dass sich der Bundestag auf die Umsetzung der zwingenden Vorgaben der EU-Urheberrechtsrichtlinie beschränkt habe. Eine "echte Modernisierung" des deutschen Urheberrechts stehe "weiterhin aus", meinte die BITKOM am 14.4.2003. Sie sei aber "dringend erforderlich", um die "bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Unsicherheiten für die Unternehmen zu beseitigen", erklärte BITKOM-Geschäftsführer Bernhard Rohleder. Bedauerlich sei vor allem, dass es der Bundestag versäumt habe, eine klare gesetzliche Regelung zur Erhebung von Urheberrechtsabgaben auf digitale Geräte zu schaffen. Aus Sicht der Informationswirtschaft wäre eine klare Aussage gegen die Ausweitung der Abgabepflicht insbesondere auf PCs und Drucker nötig gewesen. Die Hoffnungen der Wirtschaft richteten sich auf den auf den vom Bundesjustizministerium angekündigten "zweiten Korb", in dem diese Fragen behandelt werden sollten. Vor allem müssten die Benachteiligungen deutscher Unternehmen im internationalen Maßstab beseitigt werden. Ziel müsse sein, faire Bedingungen für Rechteinhaber, Nutzer und die Geräteindustrie zu sichern. "Gelingt dies nicht, werden nicht nur die Rechteinhaber, sondern auch der gesamte E-Commerce Deutschlands belastet", warnte Rohleder.
Enttäuscht vom Beschluss des Bundestages zeigte sich auch die Initiative privatkopie.net. Die Verbrauchervereinigung warnte, durch das künftige Verbot der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen und von Systemen zum digitalen Rechtemanagement (DRM) werde die Privatkopie im digitalen Bereich im Ergebnis abgeschafft. Eine handhabbare Möglichkeit zur Durchsetzung des Rechts zur Privatkopie gegenüber technischen Schutzmaßnahmen fehle. Wer in Zukunft digitale Vervielfältigungen zu privaten Zwecken herstelle, laufe deshalb in Gefahr, sich "schmerzhaften" Schadensersatzforderungen der Verwertungswirtschaft auszusetzen. Als unzureichend bezeichnete privatkopie.net auch den Kompromiss zu der geplanten neuen Schrankenvorschrift zu Gunsten öffentlicher Bildungseinrichtungen. Die Regelung sei mit Einschränkungen verbunden, die Forschung und Lehre bei der Umsetzung vor große praktische Probleme stelle. Jeder Versuch, zeitgemäße Angebote in Bereichen wie "E-Learning" zu entwickeln, werde damit "im Keim erstickt". Auch den Bibliotheken sei es versagt geblieben, die Möglichkeiten des Digitalzeitalters für ihre Nutzer voll auszuschöpfen. Ihre digitalen Bestände dürften sie nach der Urheberrechtsreform nur zu den Bedingungen zugänglich machen, die die Verlage nach Belieben festlegen könnten. Eine Kostenexplosion wie schon jetzt bei wissenschaftlichen Fachzeitschriften und langwierige Rechtsstreitigkeiten seien "vorgezeichnet", warnte die Verbraucherinitiative.
Der Bundestag hat am 11.4.2003 den Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (BT-Drs. 15/38) in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages vom 9.4.2003 (BT-Drs. 15/837) verabschiedet. Für den Kompromissvorschlag stimmten die Abgeordneten von SPD, Grünen und CDU/CSU. Die Abgeordneten der FPD lehnten den Gesetzentwurf ab, weil er die Belange der Verwertungswirtschaft nicht ausreichend berücksichtige. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in deutsches Recht. Kernbestandteile des Entwurfs sind die Einführung eines neuen Rechts der Urheber zur öffentlichen Zugänglichmachung, die Überarbeitung einer Reihe von Schrankenbestimmungen und die Schaffung eines umfassenden Rechtsschutzes von technischen Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Inhalte. Die Urheberrechtsreform soll mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Vorher ist allerdings noch die Zustimmung des Bundesrats erforderlich. Deutschland wäre der dritte Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU), der die EU-Urheberrechtsrichtlinie umsetzt. Die Umsetzungsfrist war bereits am 22.12.2002 abgelaufen.
Dokumente:
- Pressemitteilung der GEMA v. 14.4.2003
- Pressemitteilung der BITKOM v. 14.4.2003
- Pressemitteilung von privatkopie.net v. April 2003
- Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages v. 9.4.2003 (BT-Drs. 15/837)
- Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 6.11.2002 (BT-Drs. 15/38)
- EU-Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (EU-Urheberrechtsrichtlinie) v. 22.5.2001, 2001/29/EG, konsolidierte Fassung
Institutionen:
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