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31.03.2003; 17:53 Uhr
Holtzbrinck schlägt Stiftung zur Sicherung der Unabhängigkeit des "Tagesspiegels" vor
Für Beirat mit Vertretern aus Politik, Verbänden, Rundfunksendern und Zeitschriften

In den Streit um den vom Bundeskartellamt untersagten Einstieg der Stuttgarter Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck (Holtzbrinck) beim Berliner Verlag kommt wieder Bewegung. Nach einem vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Vorschlag der Eigentümerfamilie von Holtzbrinck könnte möglicherweise in Zukunft eine Stiftung über die redaktionelle Unabhängigkeit des Berliner "Tagesspiegels" wachen. Nach der so genannten "Stiftungslösung" sollen Vertreter von Parteien, Verbänden, Gewerkschaften, privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern und Zeitschriften wie dem "Spiegel" im Beirat einer neu zu gründenden Stiftung verhindern, dass der "Tagesspiegel" zur Übernahme von redaktionellen Inhalten der "Berliner Zeitung" oder anderer Blätter des Berliner Verlags gezwungen wird. Mit der Gefahr einer solchen Beeinflussung hatte das Bundeskartellamt sein "Nein" gegen einen Einstieg Holtzbrincks beim Berliner Verlag begründet. Die redaktionelle Eigenständigkeit des "Tagesspiegels" soll außerdem dadurch abgesichert werden, dass Bestellung und Abberufung des Chefredakteurs der Zeitung nur mit Zustimmung des Beirats möglich sein sollen. Für den Fall einer Einflussnahme durch Holtzbrinck auf den "Tagesspiegel" soll der Beirat das Recht haben, den Stuttgarter Verlag aus der noch zu gründenden Redaktionsgesellschaft des Verlags und der Stiftung auszuschließen, den "Tagesspiegel" zu verkaufen oder einzustellen. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) wird voraussichtlich Mitte Mai 2003 über die Übernahme des Berliner Verlags durch Holtzbrinck entscheiden.

Das Bundeskartellamt hatte Holtzbrinck Mitte Oktober 2002 endgültig den Einstieg beim Berliner Verlag untersagt. Die Bonner Behörde begründete ihre Entscheidung damit, bei einer Übernahme unter anderem der "Berliner Zeitung" und des "Berliner Kuriers" durch Holtzbrinck sei eine beherrschende Stellung des Verlages auf dem Markt für regionale Abonnement-Tageszeitungen zu befürchten gewesen. Dem Verlag sei es auch nicht gelungen, diese Bedenken nach einer Abmahnung des Bundeskartellamts vom Oktober 2002 auszuräumen. Angeboten habe Holtzbrinck lediglich, auf seine Tätigkeit auf dem Berliner Markt für Stadtillustrierte zu verzichten, wo der Verlag mit der "Tip" und der "Zitty" ebenfalls eine beherrschende Stellung erlangt hätte. Das wettbewerbsrechtliche Problem auf dem Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen in Berlin wäre damit jedoch nicht gelöst worden. Holtzbrinck hatte daraufhin bei Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) eine Ministererlaubnis beantragt, mit der ein Einsteig beim Berliner Verlag trotz des Einspruchs des Bundeskartellamts möglich wäre. Für den Fall, dass die Ministererlaubnis nicht erteilt wird, droht Holtzbrinck mit einer Einstellung des "Tagesspiegels". Die Zeitung könne wirtschaftlich nur erhalten werden, wenn sie unter einem Dach mit der "Berliner Zeitung" hergestellt werde. Einen Stellenabbau bei den beiden Blättern plant Holtzbrinck allerdings auch für den Fall, dass die Ministererlaubnis erteilt wird. Im Gespräch ist eine Entlassung von bis zu 100 Mitarbeitern. Redaktionelle Arbeitsplätze sollen dabei allerdings weitgehend erhalten bleiben.

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