Medienwächter rügen zahlreiche Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen
Zahlreiche private Fernsehsender in Deutschland verstoßen nach wie vor regelmäßig gegen Jugendschutzbestimmungen. Das geht aus einer Mitteilung der Gemeinsame Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP) der Landesmedienanstalten vom 24.2.2003 hervor. Die GSJP musste den zuständigen Landesbehörden nach der Mitteilung allein seit November 2002 in 19 Fällen rechtsaufsichtliche Maßnahmen empfehlen. Grund für die Beanstandungen waren in einigen Fällen die Nichteinhaltung von Sendezeitbeschränkungen, in anderen Fällen Verstöße gegen das Pornografieverbot oder andere Jugendschutzbestimmungen. Betroffen sind unter anderem die Sender Kabel 1, Premiere World, ProSieben, SAT.1 und RTL, aber auch der Nachrichtenkanal n-tv.
Dem Sender SAT.1 legte die GSJP einen Beitrag zur Last, der im Oktober 2002 im Tages- und Vorabendprogramm ausgestrahlt worden war. In dem Beitrag wurde gezeigt, wie in der türkischen Stadt Adana eine wehrlos am Boden liegende junge Frau von ihrem Mann auf offener Straße mit Messerstichen angegriffen wurde, ohne dass die Behörden eingriffen. Der Täter, der auch seinen fünfjährigen Sohn bedrohte, wurde erst nach einer halben Stunde von der Polizei überwältigt. Die blutigsten Szenen der Gewalttat wurden in der Sendung wiederholt gezeigt. Nach Auffassung der GSJP verletzte der Beitrag die Menschenwürde des Opfers, das zur Befriedigung der Sensationsgier der Zuschauer zum reinen Objekt herabgewürdigt worden sei. Außerdem sei er geeignet gewesen, das Wohl junger Zuschauer zu gefährden. Durch die gezeigten Szenen könnten Kinder und jüngere Jugendliche geängstigt, übererregt und verwirrt werden.
Der Sender RTL musste sich wegen zweier Gerichtsshows Kritik von der GSJP gefallen lassen, die im Sommer 2002 im Nachmittagsprogramm ausgestrahlt wurden. In den beiden Sendungen der Reihe "Das Jugendgericht" traten junge Mädchen auf, die ihren Vätern schwere Fälle von sexuellem Missbrauch zur Last legten. Die Verhandlung ergab in beiden Verfahren zerrüttete Familienverhältnisse und jahrelange Misshandlungen in der Familie und war in beiden Sendungen von heftigen Gefühls- und Gewaltausbrüchen der verzweifelten oder aufgebrachten Prozessbeteiligten begleitet. Angesichts der ihrer Meinung nach stark emotionalisierten, von Eskalationen begleiteten Darstellung der Problematik in Verbindung mit dem hohen Identifikationspotenzial der jugendlichen Missbrauchsopfer und dem Authentizitätscharakter bei Gerichtssendungen kam die GSJP zu dem Ergebnis, dass jüngere Kinder unter 12 Jahren durch die Sendungen beeinträchtigt werden könnten.
Gegen rundfunkrechtliche Vorschriften verstoßen hat nach Meinung der GSJP auch der Nachrichtensender n-tv. Das Programm hatte im Oktober 2002 vor dem Hintergrund des Geiseldramas in Moskau über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien berichtet und dabei auch Bilder einer Hinrichtung tschetschenischer Rebellen durch russische Soldaten gezeigt. Dabei wurden Erschießungen drastisch und in Einzelheiten wiedergegeben. Die GSJP hielt n-tv zu Gute, dass der Beitrag über eine hohe Informationsdichte verfügt habe. Die Medienwächter meinten aber, dass die Informationen auf Grund der drastischen Darstellung nicht hätte aufgenommen werden können. Die bildlichen Eindrücken hätten überwogen. Bei Kindern unter 12 Jahren hätte deshalb eine nachhaltige Beeinträchtigung befürchtet werden müssen, weshalb der Beitrag erst nach 20 Uhr hätte ausgestrahlt werden dürfen.
Dokumente:
Institutionen:
Permanenter Link zu dieser News Nr. 1144:
https://www.urheberrecht.org/news/1144/
Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.
Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.
Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!
Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.