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16.09.2002; 18:48 Uhr
Financial Times Deutschland gibt Wahlempfehlung
Für Deutschland ungewöhnlich - In Großbritannien und USA seit langem üblich

Mit der "Financial Times Deutschland" (FTD) hat erstmals eine große deutsche Tageszeitung ausdrücklich eine Wahlempfehlung für die Bundestagswahlen ausgesprochen. Unter dem Titel "Zeit zum Wechsel" rät das Blatt am 16.9.2002 ihren Lesern, am 22.9.2002 für die Union zu stimmen. Trotz aller Bedenken biete die CDU/CSU die besten Aussichten für eine Politik, die Wachstum und internationale Integration in den Mittelpunkt stelle, schreibt die Zeitung. Dem Artikel vorausgegangen war nach eigenen Angaben eine leidenschaftlich geführte, knapp sechsstündige Diskussion unter den Redakteuren, die mangels Einigkeit schließlich von der Chefredaktion entschieden werden musste. Die "FTD" folgt mit der Wahlempfehlung dem Vorbild ihres Mutterunternehmens, der Londoner "Financial Times". In Großbritannien und den USA haben Wahlempfehlungen für die Leserschaft lange Tradition.

Auf dem deutschen Zeitungsmarkt wird die FTD mit ihrem Vorstoß aller Voraussicht nach keine Nachahmer finden. "Handelsblatt"-Chefredakteur Bernd Ziesemer meinte zu der Frage gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, eine Zeitung müsse allen Regierungen gegenüber kritisch sein. Damit vertrage es sich nicht, eine Wahlempfehlung abzugeben. Ähnlich äußerte sich der Springer-Verlag. Eine Wahlempfehlung sei mit den publizistischen Grundsätzen des Hauses nicht vereinbar, erklärte Verlagssprecherin Edda Fels auf Anfrage. Der Leser sei imstande, sich selbst eine Meinung zu bilden. Einen Schritt weiter ging der Hamburger Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) kritisierte er, die FTD habe die Grenze des Journalismus überschritten. Journalisten sollten informieren, kritisieren, kontrollieren und orientieren, nicht aber missionieren. "FTD"-Chefredakteur Axel Keese verteidigte die Aktion dagegen. Viele Zeitungen hätten klare Parteipräferenzen, gäben sie aber nur durch ihre Nachrichtenauswahl zu erkennen. Er halte es für besser, "mit offenem Visier" anzutreten, meinte Keese gegenüber AFP.

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