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20.01.2003; 18:17 Uhr
Norwegischer Rechtsstreit gegen DVD-Kopierschutz-Knacker geht in nächste Runde
Staatsanwaltschaft legt gegen Freispruch Berufung ein

Das Strafverfahren gegen einen zur Tatzeit 15jährigen Norweger wegen des Knackens des Kopierschutzes von DVDs geht in die nächste Runde. Die norwegische Zeitung "Nettavissen" meldete am 20.1.2003, die zuständige Staatsanwaltschaft habe in der Sache Berufung eingelegt. Das erstinstanzlich befasste Gericht hatte den inzwischen 19jährige Angeklagten Jon Johansen Anfang Januar 2003 vom Vorwurf eines Verstoßes gegen die Strafvorschriften des norwegischen Urheberrechts freigesprochen. Das Gericht entschied am 7.1.2003, Johansen habe sich durch die Mitarbeit an dem umstrittenen Programm "deCSS" und seine Verwendung zum Kopieren einiger DVDs auf seinen Rechner nicht strafbar gemacht. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von 90 Tagen beantragt, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Anklage erhoben worden war nach einer Beschwerde der Motion Picture Association of America (MPAA), dem wichtigsten Verband der US-amerikanischen Filmwirtschaft. Im Fall war es den Strafverfolgungsbehörden nur gelungen, Johansen nachzuweisen, dass er das umstrittene Programm "deCSS" verwendet hatte, um den Kopierschutz von zwei rechtmäßig erworbenen DVDs zu entfernen und die Filme anschließend teilweise auf seinem Rechner abzuspeichern. Das Gericht meinte dazu, wer DVDs rechtmäßig gekauft habe, dürfte die darauf abgespeicherten Filme betrachten, wie er wolle.

Vor allem in den USA ist nach wie vor umstritten, ob die Veröffentlichung der sogenannten DeCSS-Codes strafbar ist oder nicht. Ein US-Berufungsgericht in New York entschied Ende November 2001, die Verbreitung der Programmanweisungen, die eine Entfernung des bei DVDs verwendeten sogenannten Content Scrambling Systems (CSS) und ein Abspeichern von DVDs auf Festplatte oder CD-ROM ermöglichen, verstoße gegen den US-amerikanischen Digital Millenium Copyright Act (DMCA). Die Veröffentlichung der Entschlüsselungsroutinen sei auch nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerungen ("free speech") gedeckt, weil die DeCSS-Codes "inhaltlich neutral" ("content neutral") seien. Die Richter setzten sich damit klar in Widerspruch zu einer Entscheidung eines kalifornischen Berufungsgerichts, das erst Anfang November 2001 ausdrücklich erklärt hatte, die Veröffentlichung der Programmanweisungen sei eine "reine Meinungsäußerung" ("pure speech") und als solche von der US-Verfassung gedeckt. Verbraucherschützer und Bürgerrechtsorganisationen in den USA stehen auf dem Standpunkt, die Verbreitung der DeCSS-Codes sei bereits deshalb rechtmäßig, weil sie auch dazu genutzt werden könnten, um nach US-amerikanischem Recht als "angemessene Nutzung" ("fair use") zulässige Vervielfältigungen herzustellen. Die US-Filmindustrie hält dem entgegen, die Codes seien ausschließlich zu rechtswidrigen Zwecken entwickelt worden, nämlich zur Umgehung des Kopierschutzes urheberrechtlich geschützter Werke.

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