mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
07.01.2003; 17:53 Uhr
"Knacken des Kopierschutzes von DVDs zu privaten Zwecken zulässig"
Norwegisches Gericht spricht Jugendlichen frei - Schlappe für Filmwirtschaft

Ein zur Tatzeit 15jähriger Norweger ist in Oslo von dem Vorwurf freigesprochen worden, sich durch Entwicklung, Benutzung und Verbreitung eines Programms zur Entfernung des Kopierschutzes von DVDs strafbar gemacht zu haben. Ein norwegisches Gericht entschied am 7.1.2003, der inzwischen 19jährige Jon Johansen habe durch die Mitarbeit an dem umstrittenen Programm "deCSS" und seine Verwendung zum Kopieren einiger DVDs auf seinen Rechner nicht gegen die Strafvorschriften des norwegischen Urheberrechts verstoßen. Das Urteil erging einstimmig. Die zuständige Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von 90 Tagen beantragt, die zur Bewährung hätte ausgesetzt werden sollen. Anklage erhoben worden war nach einer Beschwerde der Motion Picture Association of America (MPAA), dem wichtigsten Verband der US-amerikanischen Filmwirtschaft. Johansen zeigte sich nach Verkündigung des Urteils zufrieden. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die zuständige Staatsanwaltschaft kann gegen das Urteil innerhalb von zwei Wochen Berufung einlegen. Im Fall war es den Strafverfolgungsbehörden nur gelungen, Johansen nachzuweisen, dass er das umstrittene Programm "deCSS" verwendet hatte, um den Kopierschutz von zwei rechtmäßig erworbenen DVDs zu entfernen und die Filme anschließend teilweise auf seinem Rechner abzuspeichern. Das Gericht meinte dazu, wer DVDs rechtmäßig gekauft habe, dürfte die darauf abgespeicherten Filme betrachten, wie er wolle.

Vor allem in den USA ist nach wie vor umstritten, ob die Veröffentlichung der sogenannten DeCSS-Codes strafbar ist oder nicht. Ein US-Berufungsgericht in New York entschied Ende November 2001, die Verbreitung der Programmanweisungen, die eine Entfernung des bei DVDs verwendeten sogenannten Content Scrambling Systems (CSS) und ein Abspeichern von DVDs auf Festplatte oder CD-ROM ermöglichen, verstoße gegen den US-amerikanischen Digital Millenium Copyright Act (DMCA). Die Veröffentlichung der Entschlüsselungsroutinen sei auch nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerungen ("free speech") gedeckt, weil die DeCSS-Codes "inhaltlich neutral" ("content neutral") seien. Die Richter setzten sich damit klar in Widerspruch zu einer Entscheidung eines kalifornischen Berufungsgerichts, das erst Anfang November 2001 ausdrücklich erklärt hatte, die Veröffentlichung der Programmanweisungen sei eine "reine Meinungsäußerung" ("pure speech") und als solche von der US-Verfassung gedeckt. Verbraucherschützer und Bürgerrechtsorganisationen in den USA stehen auf dem Standpunkt, die Verbreitung der DeCSS-Codes sei bereits deshalb rechtmäßig, weil sie auch dazu genutzt werden könnten, um nach US-amerikanischem Recht als "angemessene Nutzung" ("fair use") zulässige Vervielfältigungen herzustellen. Die US-Filmindustrie hält dem entgegen, die Codes seien ausschließlich zu rechtswidrigen Zwecken entwickelt worden, nämlich zur Umgehung des Kopierschutzes urheberrechtlich geschützter Werke.

Institutionen:

[IUM/jz]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 1049:

https://www.urheberrecht.org/news/1049/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.