Weiter Streit um Urheberrechtsreform
Der Streit um den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie geht weiter. Mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (BITKOM), dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Börsenverein) und den Zeitungs-, Zeitschriften und Schulbuchverlegern (BDVZ, VDZ und VdS) legten die Spitzenverbände der deutschen Verwertungswertschaft am 16.12.2002 in Berlin eine gemeinsame Stellungnahme vor, in der sie die Vorschläge der Bundesregierung heftig angriffen. Im Mittelpunkt der Kritik stehen die geplanten Schrankenregelungen zu Gunsten von Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Die Verbände warnten, bei Inkrafttreten des Gesetzentwurf drohe eine "Enteignung" der Urheber. Außerdem erneuerten sie ihre Forderung, das sogenannte "Recht zur Privatkopie" erheblich einzuschränken. Die Auffassung der Verwerter steht in denkbar großem Gegensatz zu Stellungnahmen aus dem Umfeld öffentlicher Bildungseinrichtungen und der Anhänger freier und quelloffener Software. Die Deutsche Initiative für Netzwerkinformation (DINI) und das Institut für Rechtsfragen der Freien und Open-Source-Software (ifrOSS) hatten erst vor wenigen Tagen unabhängig voneinander gewarnt, durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung würden die Rechte von Wissenschaft, Bildungseinrichtungen und Verbrauchern zu stark eingeschränkt.
Nach Auffassung der Verwertungswirtschaft ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung für Urheber, Verleger und die gesamte Informations- und Kommunikationswirtschaft "nicht tragbar". Vor allem die geplanten Einschränkungen des neuen Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung zu Gunsten von Schulen und Hochschulen seien "rechtspolitisch verfehlt und verfassungsrechtlich bedenklich". Die Verbände beklagten, hier werde ein Bereich "überreguliert", der bisher "tadellos funktioniere". Die entsprechenden Vorschriften des Gesetzentwurfs müssten deshalb "im Interesse des Forschungs- und Bildungsstandortes Deutschland ersatzlos gestrichen werden". Versteckt enthält die Stellungnahme der Verwertungswirtschaft auch eine unverhohlene Drohung. Die Verbände warnen unmissverständlich, ein "angemessener Urheberschutz mit angemessener Vergütung" werde sich "nur dann" gewährleisten lassen, wenn der Gesetzgeber die Kritikpunkte am vorgelegten Gesetzentwurf berücksichtige. Die Sicherstellung einer angemessenen Vergütung für die Urheber war Hauptanliegen des bereits im März 2002 beschlossenen und im Juli 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern. Geregelt werden soll der Anspruch der Urheber auf angemessene Vergütung durch gemeinsame Vergütungsregeln, auf die sich Urheber- und Verwertervereinigungen nach dem Willen des Gesetzgebers freiwillig einigen sollen.
Einen ersten Referentenentwurf für die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie hat die Bundesregierung bereits im März 2002 vorgelegt. Er wurde Ende Juli 2002 nach geringfügigen Änderungen als Regierungsentwurf über den Bundesrat ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Kernbestandteile des Entwurfs sind die Einführung eines neuen Rechts der Urheber zur öffentlichen Zugänglichmachung, die Überarbeitung einer Reihe von Schrankenbestimmungen und die Schaffung eines umfassenden Rechtsschutzes von technischen Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Inhalte. Der Bundesrat hat Ende September 2002 eine "gründliche Überarbeitung" des Gesetzentwurfs gefordert. Die Länderkammer sprach sich vor allem dagegen aus, die Regelungen für analoge Kopien unverändert auf den digitalen Bereich zu übertragen. Außerdem setzen sich die Bundesländer für eine Klarstellung ein, dass Vervielfältigungen zu privaten Zwecken nur zulässig seien, wenn auch die verwendete Vorlage rechtmäßig hergestellt worden sei. Eine Lanze brach der Bundesrat außerdem gegen pauschale Urheberrechtsabgaben und für einzeln abgerechnete, nutzungsabhängige Vergütungen. Pauschale Abgaben seien ungerecht, weil sie auch die Nutzer belasteten, die keine Vervielfältigungen vornähmen, und seien für deutsche Hersteller ein Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischen Mitbewerbern. Die Bundesregierung hat die Forderungen des Bundesrats Mitte November 2002 in ihrer Gegenäußerung in allen wesentlichen Punkten zurückgewiesen.
Dokumente:
- Gemeinsame Pressemitteilung der Verwertungswirtschaft v. 16.12.2002
- Gemeinsame Stellungnahme der Verwertungswirtschaft v. 16.12.2002
- Pressemitteilung des ifrOSS v. 15.12.2002
- Stellungnahme des ifrOSS v. 13.12.2002
- Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 6.11.2002 (BT-Drs. 15/38)
- EU-Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (EU-Urheberrechtsrichtlinie) v. 22.5.2001, 2001/29/EG, konsolidierte Fassung
Institutionen:
- Bundesregierung
- Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
- Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (BITKOM)
- Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Börsenverein)
- Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)
- Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ)
- Deutsche Initiative Netzwerkinformation (DINI)
- Institut für Rechtsfragen der Freien und Open-Source-Software (ifrOSS)
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