US-Gericht spricht russisches Unternehmen vom Vorwurf des Verstoßes gegen DMCA frei
Die Verantwortlichen der russischen Softwarefirma ElcomSoft haben sich durch den Vertrieb ihres "Advanced eBook Processors" in den USA nicht wegen Verletzung des Schutzes technischer Schutzmaßnahmen strafbar gemacht. Die Geschworenen eines US-Bezirksgerichts in San Jose sprachen die Geschäftsführung des Unternehmens am 17.12.2002 vom Vorwurf eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die entsprechenden Vorschriften des Digital Millenium Copyright Act (DMCA) frei (Az. CR01-20138). Vorausgegangen waren eine zweiwöchige mündliche Verhandlung und dreitägige Beratungen der Geschworenen. Im Fall einer Verurteilung hätten ElcomSoft Geldstrafen bis zu zwei Millionen US-Dollar gedroht. Die Angeklagten zeigten sich über das Urteil erleichtert. Die zuständige Staatsanwaltschaft erklärte, sie nähmen die Entscheidung an. Als Erfolg wertete es die Strafverfolgungsbehörde allerdings, dass das Gericht die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Strafvorschriften des DMCA bejaht habe. Das Strafverfahren galt als erste echte Bewährungsprobe für das in den USA 1998 eingeführte gesetzliche Verbot von Mitteln zur Umgehung technischer Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Werke.
Die Geschworenen bejahten zwar, dass es sich bei dem von ElcomSoft vorübergehend vertriebenen Programm um ein Mittel zur Umgehung technischer Schutzmaßnahmen gehandelt habe. Den Verantwortlichen könne aber nicht nachgewiesen werden, dass sie vorsätzlich gegen die entsprechenden Strafvorschriften des US-amerikanischen Urheberrechts verstoßen hätten. Es sei abwegig zu glauben, dass sich ein großes Unternehmen bewusst durch das öffentliche Anbieten eines rechtswidrigen Programms der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würde, die das gesamte Unternehmen in seinem Bestand gefährden könne. Die Jury hielten den russischen Angeklagten außerdem zu Gute, dass die einschlägigen Vorschriften des DMCA nur schwer zu verstehen seien. Auch die Geschworenen hätten die Regelungen als "verwirrend" empfunden. Keine Rolle spielte bei der Entscheidung, dass das umstrittene Programm dem Benutzer von elektronischen Büchern eine "angemessene Nutzung" ("fair use") ermöglichte, die durch die technischen Schutzmaßnahmen vereitelt wird. Ein Sprecher der Jury machte aber deutlich, dass die Geschworenen "Schwierigkeiten" damit gehabt hätten, dass es bei elektronischen Büchern nach dem Willen der Rechtsinhaber überhaupt keine "angemessene Nutzung" mehr geben solle.
Ein Mitarbeiter von ElcomSoft, der Russe Dmitry Sklyarov, hatte Mitte Juli 2001 in Las Vegas auf einem Kongress den "Advanced eBook Processor" vorgestellt. Dabei erläuterte er unter anderem, wie mit dem Programm der Kopierschutz von Adobes "eBooks" umgangen werden kann. Nach einer Beschwerde von Adobe wurde der Programmierer daraufhin wenig später von Beamten des Federal Bureau of Investigations (FBI) festgenommen. Unter dem Eindruck wachsenden öffentlichen Drucks nahm Adobe seine Anzeige allerdings schon wenige Tage später wieder zurück und forderte, den Russen freizulassen und die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn einzustellen. Gegen eine Kaution von 50.000 US-Dollar vorläufig außer Vollzug gesetzt wurde der Haftbefehl gegen Sklyarov allerdings erst Anfang August 2001. Einer Ausreise des 27jährigen Familienvaters nach Russland stimmten die Strafverfolgungsbehörden erst zu, nachdem der Programmierer gegen seinen Arbeitgeber ausgesagt hatte, gegen den zwischenzeitlich ebenfalls ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war. ElcomSoft hatte sich von Anfang an darauf berufen, nur auf Sicherheitslücken in Adobes "eBook"-Format aufmerksam machen und Urheber vor Verletzungen ihrer Rechte durch Dritte bewahren zu wollen.
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