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10.10.2002; 18:14 Uhr
"Unterrichtsmaterialien auch zu zeitgenössischer Literatur zulässig"
Börsenverein stellt Gutachten zu Streit um "Harry Potter"-Literaturkarteien vor

Schulbuchverlage haben das Recht, Unterrichtsmaterialien auch zu zeitgenössischer Literatur anzubieten. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls ein Gutachten des Karlsruher Professors Willi Erdmann, dass der Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Börsenverein) und der ehemalige Verband der Schulbuchverlage (VdS Bildungsmedien) am 10.10.2002 auf der Frankfurter Buchmesse vorstellten. Hintergrund des Gutachtens ist der Streit um die vom Verlag an der Ruhr herausgegebenen sogenannten "Literaturkarteien" zu den "Harry-Potter"-Romanen der britischen Erfolgsschriftstellerin Joanne Rowling. Erdmann meint in seiner Untersuchung, Bearbeitungen eines literarischen Stoffes dürften lediglich nicht des "Lesegenuss" der Vorlage ersetzen. Die Beschäftigung mit Stoff, Figuren und Namen hingegen sei ebenso erlaubt wie Inhaltsangabe und die Nennung von Kapitelüberschriften. Einzelne Textelemente ständen nicht unter demselben Schutz wie die Fabel einer Erzählung, die nicht einfach nachgebildet werden darf. Der Urheberrechtler begründet seine Ansicht im Wesentlichen damit, dass mit der Veröffentlichung eines Werkes die alleinige Herrschaft des Urhebers ende. Die Allgemeinheit erhebe gerade im Bildungsbereich zu Recht den Anspruch, sich in angemessener Weise mit einem zeitgenössischen Werk auseinanderzusetzen.

Rowling und Time Warner als Inhaber der weltweiten Nutzungsrechte an den "Harry Potter"-Romanen hatten es dem Verlag an der Ruhr Anfang Juni 2002 durch einstweilige Verfügung untersagen lassen, sogenannte "Literaturkarteien" für Bücher aus der "Harry Potter"-Serie zu vervielfältigen oder zu verbreiten. Die Antragsteller warfen dem Verlag vor, gegen Urheber-, Titel- und Markenrechte verstoßen zu haben. Bei den sogenannten Literaturkarteien handele es sich um unfreie Bearbeitungen. Die Handreichungen übernähmen unter anderem Handlungsstränge, Namen und Charaktere von Rowlings Romanen. Für eine freie Bearbeitung fehle es an einer Interpretation oder Analyse der verwendeten Vorlage. Anfang Juli 2002 wurde die einstweilige Verfügung aber wieder aufgehoben. Das Landgericht Berlin kam nach mündlicher Verhandlung zu dem Schluss, dass es sich bei den Literaturkarteien um freie Bearbeitungen handele. Die Unterrichtsmaterialien knüpften lediglich an einzelne Elemente der Romane an und stellten im übrigen selbstständige geistige Schöpfungen dar. Rowling und Time Warner haben gegen diese Entscheidung mittlerweile Berufung eingelegt. Börsenverein und Schulbuchverlage hoffen, durch ihr Gutachten eine schnelle und grundsätzliche Klärung der umstrittenen Rechtsfragen zu erleichtern.

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