mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
15.10.2002; 15:58 Uhr
eBay muss Anbieten jugendgefährdender Medien nicht in jedem Fall verhindern
LG Potsdam: Stichproben und umgehende Entfernung entsprechender Angebote ausreichend

Das Internetauktionshaus eBay muss das Anbieten jugendgefährdender Filme und Computerspiele durch seine Nutzer nicht in jedem Fall verhindern. Die unverzügliche Entfernung entsprechender Angebote, Stichproben und die Aufforderung an Nutzer, jugendgefährdende Auktionen zu melden seien ausreichend, entschied das Landgericht Potsdam (LG) durch Urteil vom 10.10.2002 (Az. 51 0 12/02). Zu einer laufenden Überwachung des gesamten Angebots sei eBay gesetzlich nicht verpflichtet. Der Interessenverband des Video- und Medienfachhandels (IVD), der gegen das Auktionshaus Klage erhoben hatte, blieb damit auch im Hauptsacheverfahren erfolglos. Einen Antrag des Verbandes auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hatte das LG bereits im November 2001 zurückgewiesen (Az. 51 O 113/01). Der stellvertretende Geschäftsführer des IVD, Jörg Weinrich, kritisierte die Entscheidung. Durch das Urteil werde "jeglicher Jugendmedienschutz unterlaufen", meinte Weinrich in einer Pressemitteilung vom 14.10.2002. Der IVD wirft eBay bereits seit dem Juli 2001 die Verbreitung jugendgefährdender Schriften vor. Das Auktionshaus hält seine Maßnahmen dagegen für ausreichend.

Rechtlich gesehen dreht sich der Rechtsstreit um Inhalt und Auslegung der §§ 8 ff. des Teledienstegesetzes (TDG), die die Verantwortlichkeit von Anbietern von Telediensten regeln. Das Gesetz unterscheidet unter anderem zwischen "eigenen Informationen" eines Diensteanbieters, die er zur Nutzung bereit hält, und "fremden Informationen", die für einen Nutzer gespeichert werden. Für eigenen Informationen sind Diensteanbieter nach § 8 TDG "nach den allgemeinen Grundsätzen" verantwortlich. Entscheidend für eine Haftung sind also die im Zivil- und Strafrecht entwickelten Grundsätze zur Zurechnung von Handlungen und ihren Folgen. Komplizierter regelt das TDG die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter für fremde Inhalte. Nach § 11 des Gesetzes scheidet eine Verantwortlichkeit aus, wenn der betreffende Diensteanbieter keine Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten hatte. Der Anbieter kann sich aber auch bei Unkenntnis schadensersatzpflichtig machen, wenn ihm Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrigen Inhalte offensichtlich werden. Einer Haftung entgehen kann der Anbieter allerdings auch dadurch, dass er bei Kenntniserlangung die rechtswidrigen Inhalte unverzüglich entfernt oder sperrt.

Zur Frage, wie eigene von fremden Inhalten abzugrenzen sind, äußert sich das TDG nicht. Nach Auffassung des IVD handelt es sich bei den einzelnen Auktionen, die von Nutzern im Internetangebot von eBay durchgeführt werden, um eigene Inhalte von eBay. Das Auktionshaus unterstütze Angebot, Versteigerung und Versand, ermögliche ein gezieltes Durchsuchen der Auktionen und benachrichtige auf Wunsch auch über das Einstellen neuer, bisher nicht angebotener Artikel. eBay beruft sich demgegenüber darauf, das Auktionshaus werde nicht Vertragspartner, sondern stelle lediglich eine Plattform zur Verfügung, ohne in den Handel einzugreifen. Das Unternehmen lehnt auch die Auffassung des IVD ab, eBay habe jedenfalls "Kenntnis" von den jugendgefährdenden Auktionen. Kenntnis im Sinne des TDG liege erst vor, wenn das Auktionshaus tatsächlich von einer bestimmten, jugendgefährdenden Auktion erfahre. Der IDV will "Kenntnis" im Sinn des Gesetzes dagegen bereits dann annehmen, wenn sich ein Anbieter "eines ständig widerkehrenden Problems bewusst" sei. Das sei spätestens dann der Fall, wenn sich bestimmte Rechtsverstöße häuften, beispielsweise ein bestimmter, als rechtsradikal indizierter Tonträger zum fünfzigsten Mal angeboten würde.

Dokumente:

Institutionen:

[IUM/jz]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 874:

https://www.urheberrecht.org/news/874/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.