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09.09.2002; 19:31 Uhr
Bundesregierung verteidigt geplante Ausweitung der Strafbarkeit von Gewaltdarstellungen
Auch Darstellung der Gewalt gegen menschenähnliche Wesen habe "hohes Gefährdungspotenzial"

Die Bundesregierung hat die geplante Ausweitung der Strafbarkeit von Gewaltdarstellungen verteidigt. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) bekräftigte am 9.9.2002 in einem Gespräch mit der "ComputerBild" ausdrücklich, auch die Darstellung von Gewalt gegen "menschenähnliche Wesen" müsse unter Strafe gestellt werden. Gerade in gewaltbetonten Medien habe man es immer mehr mit "Zombies" oder "anderen elektronisch verfremdeten Figuren" zu tun, warnte die Ministerin. Würde man auf die Einbeziehung menschenähnlicher Wesen verzichten, wären Gewaltdarstellungen an Gestalten, bei denen es sich nicht zweifelsfrei um die filmische Darstellung eines natürlichen Menschen handele, "Tür und Tor geöffnet". Gleichzeitig wandte sich Däubler-Gmelin in dem Gespräch gegen Äußerungen, die die Gefährdung Jugendlicher durch gewaltverherrlichende Videofilme oder Computerspiele in Frage stellen. Der übermäßige Konsum gewaltverherrlichender entsprechenden Materials habe in der Vorgeschichte bisheriger Gewalttaten "regelmäßig" eine Rolle gespielt, meinte die SPD-Politikerin. Das hätten auch wissenschaftliche Untersuchungen bewiesen.

Das Bundesjustizministerium hat als Reaktion auf den Amoklauf von Erfurt bereits Anfang Juni 2002 Vorschläge zur umfassenden Änderungen einiger Strafvorschriften vorgelegt. Betroffen sind die Tatbestände der Volksverhetzung (§ 130 StGB), der Gewaltdarstellung (§ 131 StBG) und der Verbreitung pornografischer Schriften (§ 184 StBG). Nach den Vorstellungen des Ministeriums sollen Medien- und Teledienste in Zukunft im Rahmen dieser Vorschriften grundsätzlich mit Rundfunkangeboten gleichgestellt werden. Weitgehend wegfallen soll außerdem die Unterscheidung rechtswidriger und nur jugendgefährdender Inhalte. Im Rahmen der Strafbarkeit gewaltverherrlichender und -verharmlosender Darstellungen soll in Zukunft nicht mehr nur die Darstellung von Gewalt gegen Menschen, sondern auch von Gewalt gegen "menschenähnliche Wesen" geächtet werden. Außerdem soll die Strafbarkeit zukünftig bereits erheblich früher greifen als bisher. Genügen soll nach dem Willen des Ministeriums die Verherrlichung oder Verharmlosung von Gewalttätigkeiten oder eine Darstellung in einer die Menschenwürde verletzen Weise auch dann, wenn die Darstellung weder grausam noch unmenschlich ist. Wirtschaftsverbände haben kritisiert, die Pläne der Bundesregierung brächten vor allem für Anbieter im Bereich der neuen Medien "erhebliche Unsicherheiten" mit sich.

Am 26.4.2002 hat ein 19jähriger ehemaliger Schüler des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums bei einem Amoklauf sechzehn Menschen erschossen. Getötet wurden vor allem Lehrer der Schule, aber auch zwei Schüler und ein Polizist. Anschließend richtete sich der Täter, der mit einem Schrotgewehr und einer Pistole bewaffnet war, selbst. Nach Erkenntnissen der Polizei besaß der 19jährige für das Gewehr eine Waffenbesitzkarte, die ihm wegen der Mitgliedschaft in einem Erfurter Schützenverein ausgestellt worden war. In der Wohnung des Schülers, der in seinem Bekanntenkreis als unauffällig galt, fanden die Ermittler außerdem große Mengen an Munition für die beiden Waffen. Wie die Polizei weiter bekannt gab, spielte der Amokläufer unter anderem regelmäßig das für seine lebensnahen Gewaltdarstellungen bekannte Computerspiel "Counterstrike". Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPJS) hat eine Indizierung des Spiels Mitte Mai 2002 in einer viel beachteten Entscheidung allerdings abgelehnt.

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