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26.06.2002; 17:28 Uhr
US-Abgeordneter will Musikindustrie Sabotage von Tauschbörsen erlauben
Gesetz soll Waffengleichheit herstellen - Nach geltendem Recht rechtswidrig?

Im US-Kongress sind Vorschläge laut geworden, der Musikindustrie ausdrücklich die Sabotage von Internetangeboten wie der umstrittenen Musiktauschbörse Napster zu erlauben. Der kalifornische Abgeordnete Howard Berman kündigte am 25.6.2002 einen Gesetzentwurf an, der den Rechteinhabern "technologische Selbsthilfemaßnahmen" ("technological self-help measures") gesetzlich gestatten solle. Als Beispiel nannte der Abgeordnete unter anderem Umleitungen, Dateiblockaden und das gezielte Verbreiten von "Datenmüll" ("spoofs"). Der Demokrat räumte ein, dass entsprechende Schritte nach geltendem Recht möglicherweise rechtswidrig seien. In Betracht komme vor allem ein Verstoß gegen den U.S. Computer Fraud and Abuse Act. Berman begründete seinen Vorstoß damit, mit dem Aufbau rechtmäßiger Angebote, digitalem Rechtemanagement und Schadensersatzklagen allein könnten die Rechteinhaber der massenhaften Musikpiraterie im Internet nicht Herr werden. Über Musiktauschbörsen fänden nach wie vor jeden Monat Milliarden von Urheberrechtsverletzungen statt, ohne dass die Rechteinhaber dafür in irgendeiner Form entschädigt würden. Damit müsse "aufgeräumt" werden, die Frage sei nur, wie.

In den USA mehren sich unterdessen Hinweise darauf, dass die Musikindustrie bereits damit begonnen hat, Internettauschbörsen mit Tausenden von fehlerhaften Musikdateien zu überfluten. Auf diesem Weg versuchen die Rechteinhaber vermutlich, das rechtswidrige Herunterladen von Liedern und Filmen unattraktiv zu machen. Nach US-Berichten tauchen bei Anbietern wie Grokster oder Kazaa in letzter Zeit vermehrt Dateien auf, die die nach ihrer Bezeichnung zu erwartenden Lieder entweder gar nicht, nur gekürzt oder nur in sehr schlechter Qualität enthielten. In einigen Fällen seien etwa die Hälfte aller angebotenen Dateien unbrauchbar gewesen. Als Urheber der "Schrottkopien" ("bogus copies") werden die Plattenverleger vermutet. Für diese Annahme spricht auch eine Stellungnahme der Recording Industry Association of America (RIAA), des wichtigsten Branchenverbandes der US-amerikanischen Plattenindustrie. RIAA-Presidentin Cary Sherman erklärte vor kurzem, ein entsprechendes Vorgehen sei eine "völlig rechtmäßige Selbsthilfemaßnahme" und eine "angemessene Antwort" auf das Problem der Musikpiraterie. Sherman meinte, die Rechteinhaber müssten verrückt sein, wenn sie diese Möglichkeit nicht nutzten.

In der Vergangenheit hat die Musikindustrie vor allem versucht, die umstrittenen Internettauschbörsen mit milliardenschweren Schadensersatzklagen in die Knie zu zwingen. Dieser Weg erwies sich allerdings schnell als kostspielig und ausgesprochen langwierig. Unternehmen wie der umstrittenen Musiktauschbörse Napster gelang es, die Gerichtsverfahren über Monate, ja teilweise über Jahre hinauszuzögern. Der Erlass einstweiliger Verfügungen scheiterte oftmals daran, dass die Verantwortlichkeit der Tauschbörsen für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer auch in den USA rechtlich nicht unumstritten ist. Die Unternehmen beriefen sich unter anderem darauf, von Rechtsverletzungen ihrer Kunden keine Kenntnis zu haben und sie aus Gründen des Datenschutzes und wegen des Fernmeldegeheimnisses auch nicht ausforschen zu dürfen. Die "Überflutung" der Tauschbörsen könnte demgegenüber eine einfache, schnelle und vergleichsweise günstige Möglichkeit sein, Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Die Anonymität der Internetangebote, der sie einen Großteil ihrer Beliebtheit verdanken, könnte sich dabei als ihre Achillesverse erweisen, denn sie ermöglicht es auch den Rechteinhabern, ohne Überprüfung durch die Anbieter falsch beschrifteten "Datenmüll" einzustellen, um andere Nutzer in die Irre zu führen. Nach ein oder zwei nutzlosen Downloads stehen die Chancen gut, dass die Anwender frustriert aufgeben. Inzwischen gibt es mit MediaDefender oder Vidius sogar Unternehmen, die den Rechteinhabern entsprechende Dienstleistungen anbieten.

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