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17.06.2002; 19:26 Uhr
Bertelsmann sieht Versagen der Musikindustrie als Grund für Umsatzeinbrüche
Middelhoff: "Plattenfirmen haben geschlafen" - Abschied vom "Zwangspaket" Album

Nach Auffassung der Bertelsmann-Gruppe sind Grund für die Umsatzeinbrüche im Tonträgergeschäft nicht Musiktauschbörsen oder die zunehmende Beliebtheit selbstgebrannter Musik-CDs, sondern vor allem das Versagen der Musikindustrie. Das erklärte der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann AG, Thomas Middelhoff, am 17.6.2002 in einem Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). Verantwortlich für das fehlende Wachstum bei Musik-CDs seien die Plattenfirmen, die "schlicht geschlafen" und sich "nur auf ihre Oldies" verlassen hätten, meinte der Unternehmenschef. Nachdem die Musikbranche "eine lange Zeit" die veränderten Wünsche der Kunden nicht beachtet habe, sei die Branche jetzt aber "aufgewacht". Nun komme es darauf an, neue Nachfrage nach Musikinhalten zu schaffen. Die Bertelsmann-Gruppe setzt dabei nach Darstellung von Middelhoff neben Kostensenkungen vor allem einen verstärkten Aufbau neuer Künstler und die stärkere Nutzung des Fernsehens zur Bewerbung von Musik. Im Gespräch ist dabei auch der Aufbau eines eigenen europäischen Musikfernsehens. Grundsätzlich ändern wird sich Auffassung des Bertelsmann-Chefs die Musikverwertung. Der Pop-Fan wolle nicht mehr eine ganze Musik-CD als "Zwangspaket" kaufen müssen, nur um seinen aktuellen Lieblingstitel hören zu können. Die Firmen müssten künftig einzelne Lieder auch über das Internet zum kostenpflichtigen Herunterladen anbieten, meinte Middelhoff.

Der Umsatz mit Musik-CDs, LPs und Musikkassetten ist im Jahr 2001 in Deutschland um 10,2 Prozent von 2,490 auf 2,235 Milliarden Euro eingebrochen. Die Verbände der deutschen Musikindustrie machen dafür das illegale Herunterladen von Musik aus Internetangeboten wie der umstrittene Musiktauschbörse Napster und das massenhafte Kopieren von Musik-CDs durch die Verbraucher verantwortlich. Der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft (Bundesverband Phono) wies Mitte März 2002 auf eine Untersuchung der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hin, nach der im Vorjahr 17,1 Millionen Verbraucher Musik auf 182 Millionen CD-Rohlinge gebrannt hätten. Das sei mehr gewesen als die 173 Millionen CD-Alben, die 2001 über den Ladentisch gegangen seien. Der Zusammenhang von sinkenden Umsätzen einerseits und Musiktauschbörsen und selbstgebrannten Musik-CDs anderseits ist allerdings umstritten. Das Institut für Demoskopie Allensbach kam bereits in einer im Januar 2002 vorgelegten Studie zu dem Schluss, das Herunterladen von Musik aus dem Internet sei möglicherweise sogar ein Kaufanreiz. Nach der "Allensbacher Computer- und Telekommunikationsanalyse" (ACTA) geben zwar 30 Prozent der Onlinenutzer an, heute weniger CDs als vor drei Jahren zu kaufen. Bei denjenigen, die bereits Musik aus dem Internet heruntergeladen haben, beträgt der Anteil sogar 37 Prozent. Auf der anderen Seite meinen 23 beziehungsweise 28 Prozent, dass sie heute eher mehr CDs kaufen als bisher.

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