Medienwirtschaft drängt auf Nachbesserungen an neuem Jugendschutzrecht
Die Medienwirtschaft drängt auf Nachbesserungen an den Gesetzentwürfen zur Neuregelung des Jugendschutzrechtes. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesverband Informationstechnik, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) warnten am 10.6.2002 in Berlin, die neuen Vorschriften dürften nicht "mit heißer Nadel gestrickt" werden. Die "plötzliche gesetzgeberische Eile" tue dem Anliegen des Gesetzgebers "keinesfalls gut", meinte BITKOM-Geschäftsführer Bernhard Rohleder. Ein wirksamer Jugendschutz lasse sich nicht im Alleingang von Behörden und Unternehmen gewährleisten, sondern erfordere auch eine Einbindung von Eltern und Lehrern. Statt durch strengere staatliche Verbote und Auflagen könne ein wirksamer Jugendschutz besser durch eine stärkere Selbstkontrolle der Medienwirtschaft, internationale Zusammenarbeit und erhöhte Anstrengungen im familiären Umfeld für die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen erreicht werden, erklärten die Verbände. Mehr Eigenverantwortung der Nutzer und Aufmerksamkeit der Erziehungsberechtigten sei vor allem bei der Nutzung technischer Schutzvorrichtungen erforderlich. BDI und BITKOM verwiesen auf elektronische Vorsperren im digitalen Fernsehen und auf die freiwillige Selbstkennzeichnung von Internetangeboten, die zusammen mit dem Einsatz entsprechender Filter einen wirksamen Jugendschutz gewährleisten könnten. Die Bereitschaft und vor allem die Fähigkeit, solche Schutzvorrichtungen einzusetzen, müsse bei Eltern und Lehrern aber erst entwickelt werden. Hier sei die Politik gefordert, meinten die Verbände.
Über die Rolle der freiwilligen Selbstkontrolle ist im Zusammenhang mit der Neuregelung des Jugendschutzrechts in den letzen Wochen ein heftiger Streit zwischen Medienwächtern und Privatsendern entbrannt. Die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM) hatte Mitte Mai 2002 erklärt, mit der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Stärkung der freiwilligen Selbstkontrolle der Fernsehsender werde ein "erhebliches Risiko für den Jugendschutz" eingegangen. Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle seien erfahrungsgemäß sehr viel großzügiger als die Landesmedienanstalten. Das habe sich bei etwa einem Drittel der Fälle gezeigt, in denen die Sender Ausnahmegenehmigungen für die Ausstrahlung indizierter Filme beantragt hätten. So habe die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) auch bei äußerst gewaltgeprägten Filmen trotz schwerer Jugendgefährdung eine Ausstrahlung befürwortet. Die BLM warnte, die Landesmedienanstalten hätten bei Umsetzung der Pläne der Bundesregierung kaum noch Möglichkeiten, die Ausstrahlung problematischer Filme zu verhindern. Sie könnten nur im Nachhinein einen Verstoß feststellen. Aber auch das bliebe ohne Folge, wenn die freiwillige Selbstkontrolle einer Ausstrahlung zugestimmt habe. Die Medienwächter verlangten, sie müssten in jedem Einzelfall ein umfassendes Prüfungs-, Beanstandungs- und Sanktionsrecht behalten. Die Privatsender wiesen die Vorwürfe umgehend zurück und erklärten, die von Bund und Ländern geplante Stärkung der freiwilligen Selbstkontrolle sei richtig. Die Sender seien bereit, erheblich mehr Mittel als bisher für die entsprechenden Einrichtungen und die Jugendschutzbeauftragten in den einzelnen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Wenn die freiwillige Selbstkontrolle nicht mehr nur als "Vorspiel" für die Entscheidungen der Landesmedienanstalten herhalten müssten, sei das der beste Garant dafür, dass die Sender den Jugendschutz erst nähmen.
Der Bundestag hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Jugendschutzrechts am 16.5.2002 in erster Lesung verabschiedet. Nach den Vorstellungen von Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) sollen das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) und das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS) zu einem Jugendschutzgesetz (JSchG) zusammengelegt werden. Dessen Regelungen sollen einheitlich sowohl für Tele- als auch für Mediendienste gelten. Ausgenommen sein soll allerdings der Jugendschutz im Rundfunk. Er soll weiter in der Zuständigkeit der Länder verbleiben und durch einen neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrag geregelt werden. Nach dem geplanten JSchG sollen in Zukunft nicht nur Videofilme, sondern auch Computerspiele und Bildschirmspielgeräte mit einer Alterskennzeichnung versehen werden. Änderungen sieht der Gesetzentwurf auch bei der Indizierung jugendgefährdender Medien vor. Zuständig bleibt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS), die allerdings in Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) umbenannt wird. Die BPM kann in Zukunft auch von Amts wegen tätig werden, muss sich aber mit einer von den Bundesländern neu zu gründenden Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) abstimmen. Die Selbstkontrolle der Medien will der Gesetzentwurf stärken. Der Jugendschutz soll so weit wie möglich Selbstkontrolleinrichtungen übertragen werden. Für deren Tätigkeit soll aber eine staatliche Zulassung erforderlich sein.
Dokumente:
- Pressemitteilung des BITKOM vom 10.6.2002
- Positionspapier des BITKOM vom 7.6.2002
- Regierungsentwurf für eine Reform des Jugendschutzrechts (BT-Drs. 14/9013)
Institutionen:
Permanenter Link zu dieser News Nr. 699:
https://www.urheberrecht.org/news/699/
Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.
Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.
Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!
Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.