Auch Privatsender drohen mit Rückzug aus Selbstkontrolle
Nach der Multimediawirtschaft haben nun auch die privaten Rundfunksender erstmals mit einem Rückzug aus der freiwilligen Selbstkontrolle gedroht, falls die Bundesländer bei ihren bisherigen Plänen für eine Neuregelung des Jugendmedienschutzes bleiben. Der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) warnte am 3.7.2002, falls die Ministerpräsidenten den Landesmedienanstalten bei Jugendschutzfragen tatsächlich das letzte Wort überlassen sollten, werde die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) ihre Tätigkeit einstellen. "Selbstkontrolle kann nur funktionieren, wenn die getroffenen Entscheidungen für die Anbieter verbindlich sind", erklärte VPRT-Präsident Jürgen Doetz. Man müsse die Frage stellen, ob die von den Landesmedienanstalten geforderte Nachkontrolle von Entscheidungen der FSF tatsächlich zu mehr Jugendschutz beitragen würde oder ob es dabei nur um "Bestandsschutz" für die Medienwächter gehe. Dass die Landesmedienanstalten die freiwillige Selbstkontrolle grundsätzlich befürwortet hätten, sei "leider nur ein Lippenbekenntnis", beklagte Doetz.
Nach Darstellung der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten Deutschlands (DLM) hat die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) der DLM bei einem Gespräch Anfang Juli 2002 zugesichert, dass die neu zu gründenden Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) im Verhältnis zur freiwilligen Selbstkontrolle auch nach der Neuregelung des Jugendmedienschutzes durch den Jugendmedienschutzstaatsvertrag das letzte Wort behalten soll. Die Landesmedienanstalten sollen danach auch in Zukunft Fehlentscheidungen der Selbstkontrolleinrichtungen für künftige weitere Ausstrahlungen korrigieren können. Die DLM teilte mit, Simonis habe eine entsprechende Klarstellung im geplanten Staatsvertrag ausdrücklich in Aussicht gestellt. DLM-Vorsitzender Norbert Schneider begrüßte die Ankündigung der SPD-Politikerin und bezeichnete die zugesagte Klarstellung als "außerordentlich wichtig". Schneider warnte, Selbstkontrolleinrichtungen würden auf Dauer "dysfunktional", wenn ihre Entscheidungen de facto endgültig seien. Ein effektiver Jugendschutz sei nur möglich, wenn private Selbstkontrolle und staatliche Aufsicht "funktional ausbalanciert" würden.
Nach dem von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten neuen Jugendschutzrecht soll die freiwillige Selbstkontrolle der Medien erheblich gestärkt werden. Der Jugendschutz soll so weit wie möglich Selbstkontrolleinrichtungen übertragen werden. Für deren Tätigkeit soll allerdings anders als bisher eine staatliche Zulassung erforderlich sein. Bereits diese Zulassungspflicht ist in Teilen der Medienwirtschaft auf erheblichen Widerstand gestoßen. So hat die Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) bereits Mitte Juni 2002 erklärt, sich aus dem freiwilligen Jugendmedienschutz zurückzuziehen, falls an der geplanten "regulierten Selbstregulierung" festgehalten werde. Die Mitglieder der FSM sehen nach eigenen Angaben "keinen Sinn in einer Selbstkontrolle, die staatlich reguliert wird". Regulierte Selbstregulierung sei "ein Widerspruch in sich". Vorbehalte hat die FSM vor allem gegen die Ermessens- und Eingriffsspielräume, die nach jetzigem Stand bei der Anerkennung von Selbstkontrolleinrichtungen geplant sind, und gegen die Befristung der Anerkennung. Für die FSM ist allenfalls vorstellbar, sich zur Schaffung größerer Transparenz bei einer staatlichen Stelle zu akkreditieren und dabei die eigene Arbeitsweise offenzulegen.
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