ZDF und RTL wollen Recht zur Prozessberichterstattung grundsätzlich klären lassen
Nachdem das Bundesverfassungsgericht einem Eilantrag des ZDF und des Privatsenders RTL am 15.4.2002 nur mit Auflagen stattgegeben hat, wollen die Sender ihr Recht zur Prozessberichterstattung vor Gericht grundsätzlich klären lassen. Das kündigten ZDF-Sprecher Philip Baum und RTL-Chefredakteur Hans Mahr am 16.4.2002 gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) an. Die Karlsruher Richter hatten den Sender gestattet, von einem Strafverfahren gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der Terrororganisation El Quaida in Frankfurt an jedem Verhandlungstag vor Sitzungsbeginn fünf Minuten lang in Anwesenheit der Angeklagten und ihrer Verteidiger zu berichten. Das BVerfG hatte ZDF und RTL aber dazu verpflichtet, bei der Ausstrahlung die Gesichter der Angeklagten unkenntlich zu machen (Az. 1 BvR 680/02). Die Sender wollen diese Einschränkung bei der Berichterstattung aus Frankfurt beachten. Im Hauptsacheverfahren wollen sie gegen die Auflage aber vorgehen.
Vor allem RTL-Chefredakteur Mahr zeigte sich gegenüber der dpa "nur halb zufrieden" mit der Eilentscheidung des BVerfG. Sie sei zwar ein "Sieg für die Pressefreiheit". Es sei aber "für den normalen Staatsbürger nicht einsehbar, warum die Gesichter von Kinderschändern oder anderen Kriminellen gezeigt werden dürfen, die von Staatsterroristen aber nicht". Seiner Auffassung nach handele es sich bei den Angeklagten um relative Personen der Zeitgeschichte, meinte Mahr. Damit müssten sie auch hinnehmen, dass in Fernsehberichten ihre Gesichter gezeigt würden. Der RTL-Chefredakteur meinte, er sei zuversichtlich, dass sich auch das BVerfG dieser Meinung im Hauptsacheverfahren anschließen werde. Die Karlsruher Richter hatten die Auflagen mit dem Schutz der Angeklagten und Dritter vor Anschlägen begründet.
Vor Gericht stehen in Frankfurt ab dem 16.4.2002 fünf junge Algerier, denen die Bundesanwaltschaft die Vorbereitung eines Bombenanschlags im elsässischen Straßburg Ende 2000 vorwirft. ZDF und RTL hatten beim zuständigen Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG) beantragt, von dem Verfahren berichten zu dürfen. Das OLG wollte den Sendern aber nur erlauben, aus dem leeren Gerichtssaal zu filmen. Außerdem sollten die Kamerateams das Gericht spätestens eineinhalb Stunden vor Verhandlungsbeginn wieder räumen. RTL und ZDF stellten daraufhin beim BVerfG einen Eilantrag, um von dem Prozess berichten zu können. Die Sender beriefen sich in ihrem Antrag auf eine Entscheidung des Gerichts von 1992. Bereits damals hatten die Karlsruher Richter dem ZDF durch einstweilige Anordnung gestattet, vor und nach dem Prozess gegen den ehemaligen DDR-Staatsrats- und Parteivorsitzenden Erich Honecker zu filmen.
Die Hauptverhandlung im Strafverfahren ist nach § 169 S. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) grundsätzlich öffentlich. Eine Ausnahme gilt nach § 48 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) nur, falls Jugendliche angeklagt sind. Nach § 169 S. 2 GVG dürfen während des Prozesses allerdings keine Rundfunkaufnahmen gemacht werden. Der vorsitzende Richter kann Rundfunkvertretern Aufnahmen im Gerichtssaal aber vor und nach der eigentlichen Hauptverhandlung gestatten. Voraussetzung dafür ist, das dies die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gerichtssaal nicht gefährdet. Bei der Entscheidung über die Zulassung muss das Gericht einerseits die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten einerseits und das öffentliche Interesse der Allgemeinheit an Unterrichtung über Zeitfragen andererseits gegeneinander gewichten. Angemessen berücksichtigen muss das Gericht im Rahmen dieser Abwägung auch die grundgesetzlich geschützte Rundfunkfreiheit.
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