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09.04.2002; 18:11 Uhr
Clement will Einstieg von Berlusconi bei Kirch mit allen Mitteln verhindern
"Mit deutschem Verfassungsverständnis nicht vereinbar" - Murdoch willkommen

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) will einen Einstieg des italienischen Ministerpräsidenten und Medienunternehmers Silvio Berlusconi bei der angeschlagenen Münchener Kirch-Gruppe mit allen Mitteln verhindern. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters erklärte Clement am 9.4.2002 in Düsseldorf, er sei bereit, alle rechtlichen Hebel gegen eine weitergehende Beteiligung Berlusconis bei Kirch in Gang zu setzen. Es sei "mit deutschem Verfassungsverständnis unvereinbar", wenn der Unternehmer auch in Deutschland Medienmacht für seine politischen Ziele einsetzen würde. Aufgeschlossen zeigte sich Clement nach dem Bericht von Reuters dagegen gegenüber einer möglichen Beteiligung des amerikanisch-australischen Medienunternehmers Rupert Murdoch. Dabei müssten nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit aber auch die Beschränkungen beachtet werden, die für die Beteiligung deutscher Firmen an US-amerikanischen Medienunternehmen gälten.

Zu dem Schluss, dass eine Beteiligung Berlusconis an der Kirch-Gruppe möglicherweise verfassungswidrig wäre, kommt auch ein Gutachten, das vor einigen Tagen aus der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei bekannt geworden war. Der Stern zitierte am 5.4.2002 in seinem Internetangebot aus dem Papier, zwar könne aus kartellrechtlichen Gründen eine Übernahme der Kirch-Gruppe durch Berlusconi oder Murdoch derzeit nicht untersagt werden. Falls mit Berlusconi jedoch der Regierungschef eines fremden Landes die Führung der Kirch-Gruppe übernehme, drohe aber eine Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsätze. Man müsse davon ausgehen, dass Berlusconi seine Medienmacht auch in Deutschland für politische Zwecke einsetzen werde. Das sei aber unvereinbar mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung. "Die Einflussnahme der nationalen Regierung auf das wertvolle Gut der freien Presse ist in fast allen demokratischen Staaten verpönt. Was einem nationalen Regierungschef nicht zugebilligt werden darf, kann einem italienischen Regierungschef auch nicht ermöglicht werden", zitierte die Zeitschrift aus dem Gutachten. Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit müssten an diesem Grundsatz ihre Grenze finden.

Mit der KirchMedia KG hat am 8.4.2002 der wichtigste Konzernteil der Kirch-Gruppe wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz beim Amtsgericht München angemeldet. Die KirchMedia KG beinhaltet mit den Hauptbereichen FreeTV und Rechtehandel das Kerngeschäft der Kirch-Gruppe. Das Unternehmen hält Mehrheitsbeteiligungen unter anderem an der ProSiebenSat.1 Media AG mit den Sendern SAT.1, ProSieben, Kabel1, N24, an DSF, dem Filmrechtehändler Tauruslizenz und den Sportverwertern ISPR und KirchSport. Bei der KirchMedia KG sind rund 6500 der etwa 9500 Mitarbeiter der Kirch-Gruppe beschäftigt. Grund für den Insolvenzantrag waren Schulden der KirchMedia KG von zuletzt rund 1,9 Milliarden Euro. Die Verbindlichkeiten der Kirch-Gruppe insgesamt belaufen sich nach eigenen Angaben auf etwa 6,5 Milliarden Euro. Die Geschäfte der KirchMedia KG führen bis auf weiteres die erst vor einem Monat bestellten neuen Geschäftsführer Wolfgang van Betteray und Hans-Joachim Ziems. Auch die bisherigen Geschäftsführer Fred Kogel, Alexander Liegl und Dieter Hahn behalten ihre Aufgaben. Der vorläufig bestellte gerichtliche Insolvenzverwalter Michael Jaffé hat vorerst nur Kontrollfunktion. Nicht mehr der Geschäftsführung gehört allerdings der Gründer der Kirch-Gruppe an, der 75jährige Leo Kirch. Die KirchPayTV KG, die den Sender Premiere World betreibt, stellte bisher keinen Insolvenzantrag. Er wird aber für die nächsten Tage allgemein erwartet.

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