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05.04.2002; 14:41 Uhr
Berlusconi-Beteiligung an Kirch verfassungswidrig?
"Unvereinbar mit Gewaltenteilung" - Nida-Rümelin: Medienpolitik überprüfen

Eine Beteiligung des italienischen Ministerpräsidenten und Unternehmers Silvio Berlusconi an der angeschlagenen Münchener Kirch-Gruppe wäre möglicherweise verfassungswidrig. Zu diesem Schluss kommt nach einer Meldung des Stern vom 5.4.2002 ein Gutachten für die nordrhein-westfälische Staatskanzlei. Die Zeitschrift zitiert in ihrem Internetangebot aus dem Papier, zwar könne aus kartellrechtlichen Gründen eine Übernahme der Kirch-Gruppe durch Berlusconi oder den amerikanisch-australischen Medienunternehmer Rupert Murdoch derzeit nicht untersagt werden. Falls mit Berlusconi jedoch der Regierungschef eines fremden Landes die Führung der Kirch-Gruppe übernehme, drohe aber eine Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsätze. Man müsse davon ausgehen, dass Berlusconi seine Medienmacht auch in Deutschland für politische Zwecke einsetzen werde. Das sei aber unvereinbar mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung. "Die Einflussnahme der nationalen Regierung auf das wertvolle Gut der freien Presse ist in fast allen demokratischen Staaten verpönt. Was einem nationalen Regierungschef nicht zugebilligt werden darf, kann einem italienischen Regierungschef auch nicht ermöglicht werden", zitiert der Stern aus dem Gutachten. Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit müssten an diesem Grundsatz ihre Grenze finden.

Der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Julian Nida-Rümelin (SPD), forderte unterdessen eine grundlegende Überprüfung der deutschen Medienpolitik. Nachdem möglicherweise im Lauf der nächsten Jahrzehnte nur noch drei weltweit tätige Medienunternehmen übrig bleiben würden, müsse man auch über eine stärkere Aufspaltung der Medienmacht nachdenken, erklärte der Staatsminister am 4.4.2002 gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Entsprechende Regelungen seien in anderen Ländern bereits in Kraft. "Wir müssen eine öffentliche Debatte darüber führen, ob das existierende Maß an Deregulierung hinsichtlich der Eigentümerstrukturen im Medienmarkt vereinbar ist mit unseren Vorstellungen kultureller Vielfalt, politischer und kultureller Öffentlichkeit in Deutschland", zitiert die Nachrichtenagentur das Kabinettsmitglied. Nida-Rümelin warnte gegenüber dpa außerdem davor, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dürften nicht "marginalisiert" werden. Für das Qualitätsniveau der elektronischen Medien drohe sonst wegen der Unwägbarkeiten des privaten Fernsehmarkts eine "verheerende Entwicklung".

Die Kirch-Gruppe ist nach eigenen Angaben mit 6,5 Milliarden Euro verschuldet. Hauptgläubiger des Medienunternehmens sind die halbstaatliche Bayerische Landesbank, die HypoVereinsbank, die Commerzbank und die DZ Bank. Allein zur Deckung kurzfristig fälliger Verbindlichkeiten wären in den nächsten Wochen Überbrückungskredite von mehreren Hundert Millionen Euro erforderlich. Wegen der Finanzierung dieser Kredite verhandeln die Gläubigerbanken bereits seit längerem mit Murdochs News Corporation und Berlusconis Unternehmen Mediaset, die beide bereits Minderheitsgesellschafter der Kirch-Gruppe sind. Murdoch und Berlusconi sind zwar bereit, mehr unternehmerische Verantwortung in der Kirch-Gruppe zu übernehmen. Erhebliche Meinungsverschiedenheiten gab es in den vergangenen Wochen allerdings bei der Frage, in welchem Umfang sich die beiden Medienunternehmen an weiteren Krediten für den Konzern beteiligen würden. Unklar sind auch noch die etwaigen Beteiligungsverhältnisse von Murdoch und Berlusconi einerseits und der Gläubigerbanken andererseits. Firmengründer Leo Kirch hat zwischenzeitlich die Bereitschaft signalisiert, sich aus seinem Unternehmen zurückzuziehen.

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