Verwertungsgesellschaften starten Kampagne "Ja zur privaten Kopie"
Nach dem Willen der großen deutschen Verwertungsgesellschaften sollen Vervielfältigungen zu privaten Zwecken auch in Zukunft erlaubt bleiben. Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Verwertungsrechte (GEMA), die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) und die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst) stellten am 13.3.2002 auf der 50. Internationalen Musikmesse in Köln ein entsprechende Kampagne vor. Unter dem Schlagwort "Ja zur privaten Kopie" wollen die Verwertungsgesellschaften die Verbraucher unter anderem im Internet darüber aufklären, dass Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Inhalte zu privaten Zwecken erlaubt und die Ansprüche der Urheber durch pauschale Vergütungen abgegolten sind. Außerdem sprechen sich GEMA, VG Wort und VG Bild-Kunst dagegen aus, das System pauschaler Urheberrechtsabgaben auf Vervielfältigungsgeräte und Leermedien durch individuelle Abrechnungsverfahren zu ersetzen. Die Verwertungsgesellschaften warnen, entsprechende Lösungen seien nicht ausgereift und auch datenschutzrechtlich bedenklich. Hintergrund der Kampagne ist das Scheitern der Verhandlungen von Verwertungsgesellschaften und Geräteherstellern über Urheberrechtsabgaben auf Computer, Drucker und CD-Brenner, die am 1.3.2002 erfolglos abgebrochen worden waren.
Der Vorstandsvorsitzende der VG Bild-Kunst, Gerhard Pfennig, erklärte, die Kampagne der Verwertungsgesellschaften sei dringend notwendig, um die Ansprüche der Urheber zu schützen und die Verbraucher aufzuklären. "Viele Menschen wissen nicht, dass das Kopieren für private Zwecke erlaubt und die Ansprüche der Kreativen durch die pauschale Vergütung automatisch abgegolten sind", meinte Pfennig. Ausgenommen von diesem Grundsatz seien nur Computerprogramme und Musiknoten. Die Verwertungsgesellschaften forderten, es müsse klargestellt werden, dass die entsprechenden Regelungen des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) auch für digitale Vervielfältigungen gälten. Ferdinand Melichar, der Vorstandsvorsitzende der VG Wort, wies darauf hin, dass die Bundesregierung dies bereits im Jahr 2000 bekräftigt hätte. Der Vorstandsvorsitzende der GEMA, Reinhold Kreile, warnte davor, die Gerätehersteller versuchten, das geltende Urheberrechtsgesetz "auszuhebeln". In einem offenen Brief an Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) schrieb Kreile, der deutsche Gesetzgeber habe sich 1965 bei Verabschiedung des UrhG bewusst für den Grundsatz der "Kopierfreiheit gegen Pauschalvergütung" entschieden. Diese Entscheidung sei richtungsweisend gewesen und sei von fast allen europäischen Staaten übernommen worden. Die Zulässigkeit von Privatkopien sei für die Gerätehersteller von großem wirtschaftlichen Nutzen, weil es zu großer Nachfrage nach Vervielfältigungsgeräten führe. Die Hardwareindustrie müsse dann aber auch die gesetzliche Vergütungspflicht auf sich nehmen.
Die Gerätehersteller streiten sich mit den Verwertungsgesellschaften schon seit über einem Jahr darüber, ob und in welcher Höhe Urheberrechtsabgaben in Zukunft auch auf Computer, Drucker und CD-Brenner erhoben werden sollen. Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin hatte sich im Mai 2001 in die Verhandlungen eingeschaltet. Nachdem ihre Vermittlungsversuche allerdings erfolglos geblieben waren, hatte sich das BMJ im Oktober 2001 schon einmal aus den Verhandlungen zurückgezogen. Nicht einmal eine Drohung von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) war in der Lage gewesen, Bewegung in die festgefahrenen Gespräche zu bringen. Müller hatte im Juni 2001 erfolglos eine gesetzliche Regelung für den Fall angedroht, dass die Verhandlungen scheitern sollten. Als verfrüht erwiesen sich auch Meldungen vom November 2001, Verwertungsgesellschaften und Gerätehersteller seien sich so gut wie einig. Damals war berichtet worden, die Gerätehersteller wollten die bisher bestrittene Vergütungspflicht für Drucker und CD-Brenner grundsätzlich anerkennen und sich für die nächsten drei Jahre zur Zahlung pauschaler Urheberrechtsabgaben für diese Geräte verpflichten. Die Verwertungsgesellschaften sollten im Gegenzug angeblich zunächst darauf verzichten, gerichtlich die Frage klären zu lassen, ob auch Computer im Sinne des Urheberrechtsgesetzes vergütungspflichtig sind.
Die Gerätehersteller halten pauschale Urheberrechtsabgaben seit langem für überholt und setzen statt dessen auf Systeme zum digitalen Rechtemanagement (DRM). Der Branchenverband BITKOM hat erst Ende Januar 2002 eine Studie des TÜV Informationstechnik Essen (TÜViT) vorgelegt, nach der DRM-Systeme mittlerweile technisch ausgereift, benutzerfreundlich und sicher seien. Die dadurch mögliche Einzelabrechnung von Nutzungen eröffne vor allem Journalisten, Publizisten, Musik- und Filmautoren völlig neue Aussichten bei der Zweit- und Drittfachverwertung ihrer Werke, meinte der Verband. Die Gerätehersteller fordern, der Gesetzgeber müsse den Urhebern deshalb durch die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für DRM die Freiheit zurückgeben, die Nutzung ihrer Werke individuell zu bestimmen und abzurechnen. Entsprechende Lösungen sind nach Auffassung der Unternehmen auch gerechter als pauschale Urheberrechtsabgaben. Letztere würden nämlich auch Geräte verteuern, die nicht zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Inhalte genutzt würden.
Nach Meinung der Verwertungsgesellschaften sind Urheberrechtsabgaben dagegen nach wie vor unverzichtbar. Sie seien nach wie der einzige Weg, den Urhebern zu einer angemessenen Vergütung für die Nutzung ihrer Werke zu verhelfen. Unterstützung bekommen die Verwertungsgesellschaften mit dieser Ansicht seit neuestem auch aus Brüssel. Nach einem Arbeitspapier, das die Dienste der Europäischen Kommission Ende Februar 2002 vorlegten, sind die bestehenden Ansätze für DRM zur Zeit noch keine echte Alternative für Urheberrechtsabgaben. Die Verfasser weisen darauf hin, die bislang verwendeten Verschlüsselungsverfahren hätten sich bisher durchweg als verletzlich erwiesen. Außerdem seien sie zum Teil umständlich und würden dadurch die Nutzung der geschützten Inhalte erschweren. Als weiteres Problem macht die Untersuchung aus, dass die Rechteinhaber dazu neigten, durch DRM auch allgemein akzeptierte Nutzungen auszuschließen. Als Beispiel nennt das Arbeitspapier elektronische Bücher (E-Books), die nur einmal gelesen werden könnten. Schließlich warnen die Autoren auch, durch DRM werde zunehmend die Privatsphäre der Nutzer und der Datenschützer gefährdet.
Dokumente:
- Arbeitspapier der EU-Kommission vom 27.2.2002
- Studie des TÜV Informationstechnik Essen vom Januar 2002
Institutionen:
Permanenter Link zu dieser News Nr. 581:
https://www.urheberrecht.org/news/581/
Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.
Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.
Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!
Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.