Weiter Streit um Softwarepatente
Der Streit um die Patentierbarkeit von Computerprogrammen geht weiter. Nach einem Bericht aus Kreisen der Unterstützer sogenannter "offener Software" sind im Bundestag Stimmen laut geworden, die erhebliche Änderungen an dem von der Europäischen Kommission kürzlich vorgelegten Entwurf einer Softwarepatentierungsrichtlinie fordern. Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) dokumentierte am 12.3.2002 ein Schreiben des Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss an Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (beide SPD). Der Vorsitzende des Bundestagsunterausschusses "Neue Medien" kritisierte in seinem Schreiben, in der vorliegenden Fassung würde der Richtlinienentwurf darauf hinauslaufen, im Nachhinein mit einem Federstrich "eine Unmenge fraglicher Patente" abzusegnen, die das Europäische Patentamt (EPA) in der Vergangenheit erteilt habe. Dass der Richtlinienvorschlag auf diese Weise Rechtssicherheit schaffen würde, sei fraglich. Tauss warnte, die Übernahme des amerikanischen Systems der Softwarepatentierung durch Brüssel müsse verhindert werden. Die freie Patentierbarkeit von Software würde "offener Software" die Grundlage entziehen und die Dominanz US-amerikanischer Unternehmen auf den Softwaremärkten zum Nachteil europäischer Entwickler weiter verstärken.
Nach dem Vorschlag für eine Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen, den die Kommission am 20.2.2002 in Brüssel vorlegte, sollen Computerprogramme als solche auch in Zukunft nicht patentiert werden können. Software soll nach dem Entwurf stattdessen grundsätzlich weiterhin durch das Urheberrecht geschützt werden. Erfindungen, die durch die Ausführung von Software auf einem Computer oder einer vergleichbaren Vorrichtung implementiert werden, sollen allerdings patentiert werden können, wenn sie einen Beitrag auf einem Gebiet der Technik leisten, der für einen Fachmann nicht nahe liegend ist. Der Entwurf unterscheidet sich durch diese Bedingung wesentlich von der Rechtslage in den USA, wo Computerprogramme ohne weiteres patentiert werden können. Die Kommission will durch die Richtlinie für Rechtsklarheit sorgen, nachdem sich Gerichte in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und das Europäische Patentamt (EPA) in der Vergangenheit unterschiedlich zur Frage der Patentierbarkeit von Software geäußert hatten. Einige Gerichte hatten die Möglichkeit zur Erteilung eines Patents für Computerprogramme bejaht, obwohl das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) eine solche Patentierbarkeit gerade ausdrücklich ausschließt.
Die Kommission liegt mit ihrem Entwurf weitgehend auf der Linie von Vorschlägen, die deutsche Wissenschaftler vor kurzem gemacht hatten. Das Karlsruher Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) und das Münchener Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht (MPI) hatten im November 2001 in einer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium erstellten Studie empfohlen, nicht dem US-amerikanischen Modell der breiten Patentierbarkeit von Software zu folgen. Nur mit einem "europäischen Weg" bei der Patentierung von Computerprogrammen könne die hohe Innovationsdynamik im Softwarebereich und Besonderheiten der Softwareentwicklung angemessen berücksichtigt werden. Stattdessen sollte auf europäischer oder internationaler Ebene eine Rechtsvereinheitlichung angestrebt werden, um für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen. Außerdem hatten die Gutachter vorgeschlagen, Patente schneller zu prüfen, bessere Recherchemöglichkeiten nach bestehenden Patenten zu schaffen und die Kosten für Anmeldung und Durchsetzung von Patenten zu senken. Nach Überzeugung der Forschungsinstitute können nur so strukturell bedingte Nachteile kleinerer und mittlerer Unternehmen bei der Nutzung des Patentwesens verringert werden.
Dokumente:
- Brief von Jörg Tauss vom 12.3.2002
- Vorschlag für eine Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen (EU-Softwarepatentierungsrichtlinie) v. 20.2.2002
- Häufig gestellte Fragen zur EU-Softwarepatentierungs-Richtlinie
- Studie von FhG und MPI vom November 2001
- Urheberrechtsgesetz (UrhG) i. d. F. v. 1.9.2000
- Patentgesetz (PatG) i. d. F. v. 27. 7.2001
Institutionen:
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