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26.02.2002; 17:01 Uhr
Bundesverfassungsgericht bestätigt Zulässigkeit gefühlsbetonter Werbung
"Von Meinungsfreiheit gedeckt" - Grenze erst bei Gefährdung des Leistungswettbewerbs

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat erneut die Rechtmäßigkeit gefühlsbetonter Werbung bestätigt. Der erste Senat des Gerichts entschied am 6.2.2002 in zwei Fällen, Werbung sei nicht zwangsläufig sitten- und deshalb wettbewerbswidrig, wenn sie sich an die Gefühle des Betrachters wende. Sittenwidrigkeit liege erst dann vor, wenn durch derartige Werbung der Leistungswettbewerb im Markt beeinträchtigt werde. Falls eine solche Wettbewerbsbeeinträchtigung im Einzelfall nicht festgestellt werden könnte, sei die Werbung durch die grundgesetzlich gewährleistete Meinungsfreiheit gedeckt. Die Richter bestätigten damit ausdrücklich eine Entscheidung vom Dezember 2000, mit der das BVerfG ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur sogenannten "Schockwerbung" des italienischen Bekleidungsherstellers Benetton aufgehoben hatte. Bereits damals hatte das Gericht gerügt, die Vorinstanzen hätten bei der wettbewerbsrechtlichen Bewertung des Sachverhalts Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt.

Im Fall ging es zum einen um die Verfassungsbeschwerde eines Händlers für Kunstpelze. Der Kaufmann hatte in Flugblättern und Prospekten seine Kunden als Tierliebhaber angesprochen und die Käufer von Kunstpelzen als Menschen mit Verstand, Herzensbildung und Moral bezeichnet. Außerdem wies er auf das Leid hin, dass Tieren in Zucht, Forschung und Bekleidungsherstellung zugefügt würden. Das Landgericht Kempten und das Oberlandesgericht München hatten die Aussagen für wettbewerbswidrig erklärt. Die Werbung sei, weil gefühlsbetont, sittenwidrig. Der Vergleich von Kunstpelzen und natürlichen Pelzen missachte das Sachlichkeitsgebot, meinten die Richter. Zum anderen befasste sich das BVerfG mit der Verfassungsbeschwerde eines Optikers, der in einer Anzeige für Sonnenschutzgläser ein Emblem einer "Aktionsgemeinschaft Artenschutz" verwendet hatte. Außerdem hatte der Optiker darauf hingewiesen, dass er die Aktionsgemeinschaft unterstütze. Auch in diesem Fall hatten die Vorinstanzen bis hinauf zum BGH die Auffassung vertreten, die Werbung sei sittenwidrig. Das BVerfG hob die Entscheidungen der Untergerichte in beiden Fällen auf.

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