Entscheidung über neues Urhebervertragsrecht steht unmittelbar bevor
Die Entscheidung über die von der Bundesregierung geplante Reform des Urhebervertragsrechts steht unmittelbar bevor. Der Rechtsausschuss des Bundestags soll bereits am 23. und 24.1.2002 abschließend über das Gesetzesvorhaben beraten. Unmittelbar darauf soll am 25.1.2002 im Plenum die zweite und dritte Lesung der Urheberrechtsnovelle stattfinden. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) will dem Bundestag dafür noch einmal einen neuen Gesetzentwurf vorlegen. Nach einer neuen "Formulierungshilfe", die bereits am 15.1.2002 aus dem Bundesjustizministerium bekannt wurde, weichen die geplanten Regelungen erheblich von dem ursprünglichen Regierungsentwurf ab, den Däubler-Gmelin Ende Mai 2001 vorgestellt hatte. Der neue Vorschlag entspricht aber auch nicht den Zugeständnissen, die die Ministerin im Herbst 2001 gegenüber der Verwertungswirtschaft gemacht hatte. Vor allem die deutschen Verleger reagierten auf die neue Entwicklung mit heftigen Protesten. Sie forderten die Bundesregierung auf, die Abstimmung wieder abzusetzen. Das "handstreichartige Vorgehen" der Bundesjustizministerin lasse keine Zeit mehr, die neuen Regelungen gründlich zu prüfen, warnten die Verlage. Die Gewerkschaften wiesen diese Kritik zurück. Den Verwertern gehe es nur darum, eigene Pfründe zu sichern, meinten die Arbeitnehmervertreter.
Nach der vor wenigen Tagen bekannt gewordenen neuen "Formulierungshilfe" sind vor allem im Zusammenhang mit dem geplanten gesetzlichen Anspruch der Urheber auf angemessene Vergütung noch einmal erhebliche Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf geplant. Zwar bleibt es entgegen den ursprünglichen Plänen dabei, dass der Urheber keinen gesetzlichen Durchgriffsanspruch gegen jeden erhalten soll, der sein Werk nutzt. Falls der Urheber einem anderen vertragliche Verwertungsrechte einräumt, soll er von seinem Vertragspartner nun aber auch dann eine Vertragsanpassung verlangen können, wenn ein Dritter und nicht der Vertragspartner unangemessen großen Nutzen aus der Verwertung des Werkes zieht. Der Vertragspartner des Urhebers soll diesem also auch für Erträge haften, die nicht er selbst, sondern ein Dritter berechtigterweise gezogen hat. Als Ausgleich soll der Vertragspartner einen gesetzlichen Rückgriffsanspruch gegen den Dritten erhalten. Die Voraussetzungen, unter denen der Urheber Vertragsanpassung verlangen kann, sollen nach der "Formulierungshilfe" erheblich erleichtert werden. Ausreichen soll in Zukunft ein "auffälliges Missverhältnis". Nach geltendem Recht ist ein "grobes Missverhältnis" erforderlich. Der gesetzliche Vergütungsanspruch des Urhebers soll nun außerdem besser gegen eine Flucht in ausländisches Recht geschützt werden. Wenn maßgeblicher Gegenstand eines Vertrages Nutzungshandlungen in Deutschland sind, soll in jedem Fall deutsches Recht anwendbar sein. Eine entgegenstehende Rechtswahl wäre unwirksam. Greifen sollen die neuen Regelungen bei allen Nutzungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes stattfinden. Betroffen wären also auch sogenannte "Altverträge", die vor der Gesetzesänderung abgeschlossen wurden.
Vertreter des Börsenvereins des deutschen Buchhandels (Börsenverein) beklagten das ihrer Auffassung nach "handstreichartige Vorgehen" der Bundesregierung und warfen der Bundesjustizministerin "Wortbruch" vor. Die vorgeschlagenen Regelungen selbst bezeichnete der Verband als "skandalös". Der neue Entwurf führe für die Verwerter zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen. Er setze Werknutzer außerdem noch Jahre nach Vertragsschluss Rückforderungen der Urheber aus und gefährde so schwerwiegend Rechts- und Planungssicherheit. Das würde die Bereitschaft zur Übernahme verlegerischer Risiken lähmen und zwangsläufig zu einer raschen Abwanderung intellektuellen, kulturellen und finanziellen Kapitals führen. Bedroht seien vor allem kleinere und mittlere Verlage. Als misslungen kritisierte der Börsenverein auch die neuen Regelungen zum gesetzlichen Vergütungsanspruch des Urhebers. Der geplante Rückgriffsanspruch des Vertragspartners des Urhebers gegen Dritte, die berechtigterweise das Werk nutzten, schaffe keinen gerechten Ausgleich. Ein Regress sei schon im Inland mit hohen Kosten und hohem Risiko verbunden, im Ausland sei er praktisch nicht durchsetzbar. Der Börsenverein bemängelte außerdem, die neuen Vorschläge würden der Komplexität von Verträgen im Verlagsbereich nicht gerecht.
Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verteidigten das Vorgehen der Bundesregierung dagegen nachdrücklich. Die Empörung der Verlagswirtschaft bezeichneten die Gewerkschaften in einer gemeinsamen Presseerklärung als "unangemessen" und "absurd". Die neuen Vorschläge des Bundesjustizministeriums blieben bereits erheblich zum Nachteil der Urheber hinter dem ursprünglich vorgelegten Gesetzentwurf zurück. Eine weitere Aufweichung komme nicht in Frage. Den Verwertern warfen die Gewerkschaften vor, es gehe ihnen lediglich darum, "eigene Pfründe zu sichern". An Bundesregierung und Bundestag appellierten ver.di und DJV, sich von den "unverfrorenen Drohungen der Verleger" und deren "stupiden Kampagnen" in den Medien nicht beeindrucken zu lassen. Ein Schutz der Urheber vor der Marktübermacht der Verwerter sei schon seit Jahrzehnten überfällig. Wer meine, die Disparitäten im Urhebervertragsrecht könnten durch den Markt gelöst werden, verkenne die Realität, warnten die Gewerkschaften.
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