Baden-Württemberg will Onlineaktivitäten von ARD und ZDF begrenzen
Die Pläne von ARD und ZDF, ihre Internetangebote weiter auszubauen, geraten zunehmend unter Beschuss. Nach der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF) hat nun mit Baden-Württemberg erstmals auch ein Bundesland gefordert, das Onlineengagement der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu begrenzen. Der baden-württembergische Staatsminister Christoph Palmer (CDU) erklärte am 9.2.2002 in Stuttgart, die Internetauftritte von ARD und ZDF sollten auf programmbezogene Angebote beschränkt werden. Eine uferlose Ausweitung des Onlinebereichs sei den Gebührenzahlern nicht länger zuzumuten, meinte Palmer. Falls die Sender ihre Angebote nicht von sich aus einschränkten, müssten erforderlichenfalls die gesetzlichen Vorgaben im Rundfunkstaatsvertrag geändert werden. Die KEF hatte bereits Mitte Januar 2002 gefordert, die ARD müssten Kriterien für die Begrenzung ihrer Onlineaktivitäten entwickeln. Die Kommission warnte, schon aus den Möglichkeiten des Internets ergebe sich "eine Tendenz zur unbegrenzten Ausweitung der Onlineangebote". Dem müsse mit Blick auf die Rundfunkgebühr entgegengewirkt werden. Die Forderungen der KEF decken sich mit denen der Europäischen Kommission. Die Brüsseler Behörde hatte erst im Herbst 2001 klargestellt, die EU-Mitgliedsstaaten müssten den Auftrag ihres öffentlich-rechtlichen Rundfunks klar regeln.
Palmer erklärte, die Kritik der KEF an der Tendenz zur unbegrenzten Ausweitung der Onlineangebote sei vollkommen berechtigt. Es gehe nicht an, auf der einen Seite Gebührenüberschüsse zu erzielen und auf der anderen Seite einen hohen Mehrbedarf für Internetangebote anzumelden. Die ARD hatte gegenüber der KEF erklärt, im laufenden Gebührenzeitraum zusätzlich zu den bisher bewilligten 45 Millionen Euro weitere 130 Millionen Euro für Onlineaktivitäten zu benötigen. Der Staatsminister warnte, ARD und ZDF seien dringend aufgefordert, Selbstverpflichtungserklärungen vorzulegen, die eine klare Beschränkung des Internetauftritts der Sender auf die Programminhalte von Fernsehen und Radio beinhalten. Die Onlineangebote der Fernsehsender sollen nach Auffassung Palmers zukünftig nur noch dann mit Rundfunkgebühren finanziert werden können, wenn sie ausschließlich programmbezogen sind. Es sei nicht hinnehmbar, dass ARD und ZDF mit Mitteln des Gebührenzahlers in Konkurrenz zu privaten Internetanbietern träten. Damit gefährdeten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten private Investitionen und Arbeitsplätze, meinte der Minister.
Die ARD hat in den vergangenen Jahren mehrmals bekräftigt, dass sie ihr Internetangebot massiv ausbauen will. Im laufenden Gebührenzeitraum von Anfang 2001 bis Ende 2004 wollen die Landesrundfunkanstalten für ihr Onlineengagement rund 180 Millionen Euro ausgeben. Erst Ende November 2001 hat die ARD ihr neues Nachrichtenportal "tagesschau.de" gestartet, das von einer 24 Stunden am Tag besetzten Redaktion des NDR in Hamburg betreut wird. In der privaten Medienwirtschaft stoßen die Ausbaupläne der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten seit langem auf heftigen Widerstand. Nach Auffassung der deutschen Zeitungsverleger sind bereits die bestehenden Online-Angebote von ARD und ZDF rechtswidrig. Im März 2001 hatte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Düsseldorf ein entsprechendes Gutachten des Leipziger Medienrechtlers Christoph Degenhart vorgelegt. Der Professor begründet seine Auffassung damit, neue Dienste der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten seien nach den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags (RfStV) zwar grundsätzlich zulässig, müssten aber vorwiegend programmbezogen sein, also in erster Linie herkömmliche Rundfunksendungen inhaltlich begleiten und ergänzen. Nur dann bewegten sich die Rundfunkanstalten innerhalb ihres gesetzlich und verfassungsrechtlich vorgegebenen Auftrags zur Grundversorgung der Bevölkerung. Die Einrichtung von programmunabhängigen Angeboten, die keinen Bezug zum herkömmlichen Angebot haben, seien mit dem RfStV dagegen nicht vereinbar. Außerdem ständen sie wegen der Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Widerspruch zum Grundgesetz und zu Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union.
Dokumente:
- Pressemitteilung von Staatsminister Christoph Palmer v. 9.2.2002
- 13. Bericht der KEF vom Januar 2002
- Gutachten von Prof. Dr. Christoph Degenhart vom Februar 2001
- Rundfunkstaatsvertrag (RfStV) vom 31.8.1991 i. d. F. des 5. RfÄndStV vom 6.6.2000, konsolidierte Fassung
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