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22.02.2002; 14:37 Uhr
EU-Kommission legt Richtlinie zur Patentierung computerimplementierter Erfindungen vor
Computerprogramme als solche sollen auch in Zukunft nicht patentierbar sein

Computerprogramme als solche sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission auch in Zukunft nicht patentiert werden können. Das geht aus einem Vorschlag für eine Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen hervor, den die Behörde am 20.2.2002 in Brüssel vorlegte. Computerprogramme sollen nach dem Entwurf grundsätzlich weiterhin durch das Urheberrecht geschützt werden. Erfindungen, die durch die Ausführung von Software auf einem Computer oder einer vergleichbaren Vorrichtung implementiert werden, sollen allerdings patentiert werden können, wenn sie einen Beitrag auf einem Gebiet der Technik leisten, der für einen Fachmann nicht nahe liegend ist. Der Entwurf unterscheidet sich durch diese Bedingung wesentlich von der Rechtslage in den USA, wo Computerprogramme ohne weiteres patentiert werden können. Die Kommission will durch die Richtlinie für Rechtsklarheit sorgen, nachdem sich Gerichte in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und das Europäische Patentamt (EPA) in der Vergangenheit unterschiedlich zur Frage der Patentierbarkeit von Software geäußert hatten. Einige Gerichte hatten die Möglichkeit zur Erteilung eines Patents für Computerprogramme bejaht, obwohl das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) eine solche Patentierbarkeit gerade ausdrücklich ausschließt.

Der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar Frits Bolkestein erklärte bei Vorlage des Entwurfs, die europäische Wirtschaft brauche einen Rechtsrahmen, der Innovation fördere, ohne den Wettbewerb zu bremsen. "Wir brauchen Gewissheit darüber, was patentierbar ist und was nicht", meinte das Kommissionsmitglied. Die geplante Richtlinie würde diese Gewissheit schaffen, denn sie regele die Bedingungen für die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen klar und einheitlich. Bolkestein wies darauf hin, dass das derzeit geltende Recht aus den frühen 70er Jahren stamme, als nicht im Entferntesten absehbar gewesen sei, was die moderne Computer- und Netzwerktechnik bringen würde. Das gelte vor allem für die Milliarden Euro schwere Softwareindustrie. "Die Gerichte haben ihr Möglichstes versucht, damit das Recht mit dem Wandel Schritt hält, doch kommen wir jetzt um europäische Gesetze nicht mehr herum, wenn wir verhindern wollen, dass die Gerichte die Gesetze unterschiedlich auslegen", forderte der Kommissar. Auch sein finnischer Kollege Erkki Likkanen unterstütze den Richtlinienentwurf ausdrücklich. Er sei ein "vernünftiger Mittelweg" auf einem Gebiet, auf dem sehr unterschiedliche Standpunkte vertreten werden könnten, meinte der für die Informationsgesellschaft zuständige Kommissar diplomatisch. Likkanen hatte sich in der Vergangenheit öffentlich gegen die Patentierbarkeit von Software ausgesprochen, weil er dadurch Hindernisse für Forschung und Entwicklung in der EU befürchtet hatte.

Die Kommission liegt mit ihrem Entwurf weitgehend auf der Linie von Vorschlägen, die deutsche Wissenschaftler vor kurzem gemacht hatten. Das Karlsruher Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) und das Münchener Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht (MPI) hatten im November 2001 in einer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium erstellten Studie empfohlen, nicht dem US-amerikanischen Modell der breiten Patentierbarkeit von Software zu folgen. Nur mit einem "europäischen Weg" bei der Patentierung von Computerprogrammen könne die hohe Innovationsdynamik im Softwarebereich und Besonderheiten der Softwareentwicklung angemessen berücksichtigt werden. Stattdessen sollte auf europäischer oder internationaler Ebene eine Rechtsvereinheitlichung angestrebt werden, um für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen. Außerdem hatten die Gutachter vorgeschlagen, Patente schneller zu prüfen, bessere Recherchemöglichkeiten nach bestehenden Patenten zu schaffen und die Kosten für Anmeldung und Durchsetzung von Patenten zu senken. Nach Überzeugung der Forschungsinstitute können nur so strukturell bedingte Nachteile kleinerer und mittlerer Unternehmen bei der Nutzung des Patentwesens verringert werden.

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