Rundfunksender drängen Liberty Media weiter zum Einsatz von MHP
Die deutschen Rundfunksender drängen den Kabelnetzbetreiber Liberty Media weiter darauf, beim Ausbau der deutschen Kabelnetze den digitalen Fernsehstandard Multimedia Home Platform (MHP) zu verwenden. Nur so könnten offener Netzzugang und Programmvielfalt erhalten und eine schnelle Enwicklung des digitalen Fernsehens gewährleistet werden, erklärten ARD, ZDF und der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) am 30.11.2001 in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Klagen von Liberty Media, der Einsatz von MHP führe zu erheblichen Mehrkosten und Schwierigkeiten bei der Dekoderbeschaffung, bezeichneten die Rundfunksender als übertrieben. Sie wiesen außerdem darauf hin, dass das US-Unternehmen bereits nach geltendem Rundfunkrecht verpflichtet sei, in seinen Dekodern zugangsoffene Schnittstellen einzusetzen. Unterstützung bekommen die deutschen Programmanbieter bei ihrer Forderung nach einer Meldung des Evangelischen Pressedienstes (epd) inzwischen auch aus Brüssel. Der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments habe sich am 27.11.2001 dafür ausgesprochen, für den Aufbau digitale Fernsehangebote zwingend offene Schnittstellen vorzuschreiben, meldete der Nachrichtendienst am 3.12.2001. Liberty Media lehnt den Einsatz von MHP bisher aus Kostengründen ab.
Die Warnungen von Liberty Media, der MHP-Standard würde die für die Nutzung der neuen digitalen Dienste erforderlichen Dekoder um 60 bis 80 Euro (etwa 120 bis 160 Mark) pro Stück verteuern, halten nach Auffassung der deutschen Rundfunksender "einer näheren Überprüfung nicht stand". Die Hersteller der Geräte gingen vielmehr von Mehrkosten von 12 bis 16 Euro aus (etwa 24 bis 32 Mark), und auch das nur für eine Übergangszeit. Spätestens Ende 2003 würden MHP-fähige Dekorder nicht mehr teurer sein als andere Geräte, meinten die Programmanbieter. Nicht richtig sei auch die Behauptung von Liberty Media, dass noch keine MHP-tauglichen Geräte lieferbar seien. Entsprechende "Set-Top-Boxen" würden "auf jeden Fall" im zweiten Halbjahr 2002 auf dem Markt verfügbar sein, versicherten die Rundfunksender. ARD, ZDF und der VPRT wiesen außerdem darauf hin, dass es Liberty Media bereits nach geltendem deutschen Rundfunkrecht nicht freistehe, beim Aufbau des digitalen Fernsehens beliebige Schnittstellen zu verwenden. Nach Paragraf 53 des Rundfunkstaatsvertrages (RfStV) und den darauf bezogenen Satzungen der Landesmedienanstalten müssten in Dekodern bereits jetzt zugangsoffene Schnittstellen zum Einsatz kommen, die dem Stand der Technik und insbesondere einheitlich normierten europäischen Standards entsprächen. Zur Zeit genüge nur MHP diesen Anforderungen.
Liberty Media hat sich Anfang September 2001 mit der Deutschen Telekom über die Übernahme von sechs regionalen Kabelnetze geeinigt. Das US-Medienunternehmen bekäme mit dem Kauf Zugriff auf mehr als zehn Millionen angeschlossene Haushalte, die etwa 40 Prozent des deutschen Kabelmarktes ausmachten. Der vereinbarte Kaufpreis von 5,5 Milliarden Euro (etwa 10,8 Milliarden Mark) wird allerdings nur fällig, wenn das Bundeskartellamt die Übernahme genehmigt. Liberty Media-Chef John Malone ist es außerdem gelungen, umfangreiche Ausstiegsklauseln für den Fall durchzusetzen, dass sich die medienrechtlichen Rahmenbedingungen für das Vorhaben verschlechtern. Falls das Geschäft zustande kommt, will Liberty Media nach eigenen Angaben in den nächsten Jahren jährlich bis zu 1,9 Milliarden Mark (ca. eine Milliarde Euro) in den Ausbau der Kabelnetze und den in den Aufbau neuer Angebote stecken. Dabei sollen in Deutschland rund 10.000 neue Stellen geschaffen werden, unter anderem in München, wo die Deutschland-Zentrale des Unternehmens angesiedelt werden soll. Liberty Media will die Breitbandnetze auf Digitaltechnik umstellen und dort ab Sommer 2002 40 zusätzliche Fernsehprogramme, Internetzugang per Kabel und interaktives Fernsehen anbieten. Die monatliche Gebühr dafür soll zwischen 20 und 30 Mark liegen, einschließlich der Miete für den zur Nutzung der Angebote erforderlichen Dekoder. Das Unternehmen rechnen nach eigenen Angaben damit, dass es etwa ein halbes Jahr dauern wird, bis die benötigten rund zehn Million Dekoder beschafft sind.
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