Urheberrechtsreform nicht vereinbar mit europäischem Wettbewerbsrecht?
Im Kampf gegen die von der Bundesregierung geplante Reform des Urhebervertragsrechts bekommt die deutsche Verwertungswirtschaft unerwartete Schützenhilfe aus Brüssel. Nach einem Bericht des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) vom 4.12.2001 warnte die European Newspaper Publishers Association (ENPA) vor kurzem Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), die von der Bundesregierung befürwortete Zwangsschlichtung bei der Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregelungen von Urhebern und Verwertern stehe möglicherweise im Widerspruch zu europäischem Wettbewerbsrecht. Wenn es gesetzliche Regelungen staatlichen Einrichtungen ermöglichten, Einkaufsbedingungen für ganze Wirtschaftsbereiche festzulegen, verstoße das gegen Artikel 81 des EG-Vertrages (EGV). Diese Vorschrift sei auch anwendbar, weil das geplante neue deutsche Urhebervertragsrecht jedenfalls mittelbar Einfluss auf das Marktgeschehen in anderen EU-Mitgliedsstaaten haben könnte. Nach Darstellung des BDZV weist der in Brüssel ansässige Verband in seinem Schreiben an Schröder auch auf ein Gutachten der EU-Kommission zu Fragen des Urhebervertragsrechts und seiner wirtschaftlichen Auswirkungen hin, dass die Kommission seit einigen Monaten vorbereite. Die ENPA warnte danach, die Bundesregierung solle lieber die Ergebnisse dieses Gutachtens abwarten, statt einen nationalen Alleingang zu unternehmen.
Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) hat am 20.11.2001 erklärt, dass die Bundesregierung im Streit um die geplante Reform des Urhebervertragsrechts dem heftigen Widerstand der Verwertungswirtschaft nachgeben werde. Däubler-Gmelin kündigte einen überarbeiteten Gesetzentwurf an, der die Bedenken vor allem der Verlage in großem Umfang aufgreifen werde. Von den Änderungen betroffen ist vor allem die geplante Einführung eines gesetzlichen Anspruchs der Urheber auf angemessene Vergütung. Entgegen den ursprünglichen Plänen soll der Anspruch nur noch gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner der Urheber bestehen und nicht gegenüber allen berechtigten Werknutzern. Der Anfang Juni 2001 von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern hatte gerade einen solchen "Durchgriffsanspruch" vorgesehen, was innerhalb der Verwertungswirtschaft für erhebliche Unruhe gesorgt hatte. Festhalten will die Bundesregierung aber erklärtermaßen an ihrer Absicht, bei der Frage der Angemessenheit von Nutzungsentgelten die Rolle gemeinsamer Vergütungsregelungen zu stärken. Dabei soll es auch möglich sein, dass Schlichtungsstellen verbindliche Entgeltsätze festlegen, wenn sich Urheber und Verwerter nicht darüber einigen. Vertreter der deutschen Verwertungswirtschaft, vor allem Verlage und private Rundfunksender, haben die angekündigten Änderungen deshalb als unzureichend kritisiert.
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