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28.11.2001; 15:05 Uhr
Streit über Kabelnetz-Pläne von Liberty Media verschärft sich
Niedersächsische Wirtschaftsministerin fordert Ministererlaubnis - Scharfe Kritik der Privatsender

Der Streit über den Verkauf von sechs regionalen Kabelnetzen der Deutschen Telekom an Liberty Media verschärft sich. Die niedersächsische Wirtschaftsministerin Susanne Knorre (parteilos) forderte am 28.11.2001, Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (ebenfalls parteilos) solle den Einstieg des US-Unternehmens in den deutschen Kabelmarkt durch eine sogenannte "Ministererlaubnis" gestatten, falls sich das Bundeskartellamt gegen die Übernahme ausspreche. Knorre bezog sich damit auf Äußerungen des Präsidenten der Behörde, Ulf Böge, der am 26.11.2001 in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung (BZ) erhebliche Bedenken gegen die Pläne von Liberty Media geäußert hatte. Grund für die Vorbehalte der Wettbewerbshüter sind offenbar vor allem die Ankündigungen des US-Unternehmens, außer den Kabelnetzen auch eine Minderheitsbeteiligung an Kirchs Bezahlfernsehsender Premiere World übernehmen zu wollen. Scharf kritisiert wurden die Forderungen Knorres umgehend von den privaten Rundfunksendern. Der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), Jürgen Doetz, warnte, Liberty Media dürfe kein "Freifahrschein" ausgestellt werden. Die privaten Rundfunkveranstalter würden die damit verbundene Einschränkung des offenen Netzzugangs nicht kampflos hinnehmen. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, die für Anfang Januar 2002 erwartete Entscheidung des Bundeskartellamts in der Angelegenheit abwarten zu wollen.

Wirtschaftsministerin Knorre warnte in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) davor, Liberty Media den Einstieg in den deutschen Kabelmarkt aus Wettbewerbsgründen zu untersagen. "Wir würden sonst die Chance verschenken, das Kabel zum Multimedianetz mit Internetzugang und später sogar zum Telefonanschluss zu entwickeln", erklärte die Ministerin. Nachdem sich nach jahrelangem Suchen ein Unternehmen gefunden habe, das die bislang brach liegenden Kabelnetze der Deutschen Telekom übernehmen und ausbauen wolle, gebe es nun ein "großes Geschrei" der deutschen Fernsehsender, sie könnten von Liberty Media aus dem Kabel verdrängt werden. Knorre meinte, man dürfe das US-Unternehmen "nicht dem Medienkartell zum Fraß vorwerfen". Die Landespolitikerin spielte damit auf Stellungnahmen der Kirch-Gruppe und des Bertelsmann-Konzerns an, die sich beim Bundeskartellamt dafür eingesetzt hatten, den Verkauf der Kabelnetze an Liberty Media nicht zu genehmigen. Die beiden Unternehmen befürchten eine Beschränkung des Zugangs zum Kabelmarkt, falls die Bonner Behörde das Geschäft nicht untersagt. Gegen den Einstieg des US-Unternehmens in Deutschland sind auch ARD und ZDF. Die Rundfunkanstalten kritisieren vor allem, dass Liberty Media beim Ausbau der deutschen Kabelnetze aus Kostengründen nicht den offenen Fernsehstandard Multimedia Home Platform (MHP) verwenden will, auf den sich ARD, ZDF, Kirch-Gruppe und die Landesmedienanstalten im September 2001 geeinigt haben.

VPRT-Präsident Doetz bezeichnete die Äußerungen Knorres über das angebliche "Medienkartell" der deutschen Rundfunkveranstalter in einer Pressemitteilung als einen "beispiellosen Ausfall". Doetz kritisierte, das momentane "Geschacher" um Firmenstandorte und Arbeitsplätze scheine bei einigen politischen Akteuren jeden Respekt vor den Entscheidungen des Bundeskartellamts ausgehebelt zu haben. Dass bereits im Vorfeld einer Entscheidung der Wettbewerbshüter nach einer Ministererlaubnis gerufen werde, zeuge von einem "zweifelhaften Demokratieverständnis". Der VPRT-Präsident mutmaßte, Liberty Media wolle offenbar durch Anmeldung weiterer Beteiligungen an Kabelnetzbetreibern und Programmveranstaltern einen ablehnenden Bescheid des Bundeskartellamts "provozieren", um anschließend durch eine Ministererlaubnis einen "Freifahrschein" an allen Regulierungsinstanzen vorbei ausgestellt zu bekommen. Für ein Unternehmen, das bei allen entscheidenden Punkten des Netzausbaus wie bei der MHP-Einführung "auf der Bremse" stehe, dürften nicht alle Prinzipien des freien Wettbewerbs geopfert werden, meinte Doetz. Von Bundeswirtschaftsminister Müller verlangte der VPRT ein "klares Wort" in der Angelegenheit.

Liberty Media hat sich Anfang September 2001 mit der Deutschen Telekom über die Übernahme von sechs regionalen Kabelnetze geeinigt. Das US-Medienunternehmen bekäme mit dem Kauf Zugriff auf mehr als zehn Millionen angeschlossene Haushalte, die etwa 40 Prozent des deutschen Kabelmarktes ausmachten. Der vereinbarte Kaufpreis von 5,5 Milliarden Euro (etwa 10,8 Milliarden Mark) wird allerdings nur fällig, wenn das Bundeskartellamt die Übernahme genehmigt. Falls das Geschäft zustande kommt, will Liberty Media nach eigenen Angaben in den nächsten Jahren jährlich bis zu 1,9 Milliarden Mark (ca. eine Milliarde Euro) in den Ausbau der Kabelnetze und den in den Aufbau neuer Angebote stecken. Dabei sollen in Deutschland rund 10.000 neue Stellen geschaffen werden, unter anderem in München, wo die Deutschland-Zentrale des Unternehmens angesiedelt werden soll. Liberty Media will die Breitbandnetze auf Digitaltechnik umstellen und dort ab Sommer 2002 40 zusätzliche Fernsehprogramme, Internetzugang per Kabel und interaktives Fernsehen anbieten. Die monatliche Gebühr dafür soll zwischen 20 und 30 Mark liegen, einschließlich der Miete für den zur Nutzung der Angebote erforderlichen Dekoder. Das Unternehmen rechnen nach eigenen Angaben damit, dass es etwa ein halbes Jahr dauern wird, bis die benötigten rund zehn Million Dekoder beschafft sind.

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[IUM/jz]

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