Deutscher Presserat spricht elf Rügen aus
Die Berichterstattung über die Terroranschläge vom 11.9.2001 hat nun auch den Deutschen Presserat beschäftigt. Der Beschwerdeausschuss der Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Printmedien sprach auf seiner Sitzung vom 28.11.2001 wegen eines Zeitungskommentars zu den Attentaten, in dem zu einem harten Vorgehen gegen die Terroristen aufgerufen wurde, eine Rüge aus. Außerdem missbilligte das Gremium die steckbriefartige Berichterstattung einer Boulevardzeitung über die mutmaßlichen Hintermänner der Anschläge. Sechs weitere Beschwerden wegen Meldungen über die Vorfälle wies der Ausschuss allerdings als unbegründet zurück. Insbesondere Bildberichte über die Ereignisse am 11.9.2001 in New York wurden nicht beanstandet. Zeitungen hatten damals verzweifelte Menschen an den Fenstern des World Trade Center oder beim Sturz aus dem Hochhaus gezeigt. Hier handle es sich um Dokumente der Zeitgeschichte, die mehr noch als die zusammenbrechenden Gebäude oder die Trümmerberge die ganze menschliche Tragödie der Terroranschläge deutlich machten, erklärte der Presserat. Die weiteren acht Rügen, die das Gremium verhängte, betrafen vor allem die Verletzung von Persönlichkeitsrechten.
Im Zusammenhang mit den Berichten über die Terroranschläge in den Vereinigten Staaten wurde vom Presserat vor allem ein Kommentar der Ostfriesischen Nachrichten gerügt. Der Chefredakteur der Zeitung hatte am 13.11.2001 dazu aufgerufen, die Hintermänner der Attentate müssten "entfernt" werden, "ohne dass irgendjemand Rechte einzufordern hat". Unter der Überschrift "Durchhalten" hatte er außerdem gefordert, mit dem mutmaßlichen Terroristenführer Osama bin Laden und dem irakischen Diktator Saddam Hussein "kurzen Prozess" zu machen, "ohne mit irgendwelchen Menschenrechtlern herumzudiskutieren". Der Presserat sah in diesen Forderungen eine Äußerung, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar sei. Ganz ähnlich begründet die Selbstkontrolleinrichtung die Missbilligung eines Berichtes einer Boulevardzeitung. Diese hatte ebenfalls am 13.11.2001 unter der Schlagzeile "Jagt ihn! 10 Millionen für seinen Kopf" auf der Titelseite ein ganzseitiges Foto von Osama bin Laden abgedruckt. Nach Ansicht des Presserates wurde damit "in unangemessen sensationeller Art und Weise" zu Selbstjustiz und zu einer "regelrechten Menschenjagd" aufgerufen.
Eine eindeutige Verletzung publizistischer Grundsätze bejahte der Presserat auch bei Boulevardberichten über einen mutmaßlichen Vergewaltiger. Die BILD und der Express hatten in Köln einen jungen Mann als "Taxi-Monster" bezeichnet und mit vollem Bild dargestellt, obwohl das entsprechende Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen und ein gerichtliches Urteil noch nicht ergangen war. Der Kölner Express wurde außerdem gerügt, weil er in einer ganzen Artikelserie einen stadtbekannten Karnevalisten des sexuellen Missbrauchs und des Drogenkonsums bezichtigt hatte. Die Berichte hätten die Intimsphäre des Betroffenen verletzt, kritisierte der Presserat. Die BILD handelte sich eine weitere Rüge ein, weil sie in einem Kommentar englische Fußballfans verunglimpft hatte. Sie waren in einem BILD-Kommentar unter anderem als "aufgedunsener, rot gebratener Tommysack" mit "BSE-Wampe" bezeichnet worden. Eine weitere Rüge erhielt die Berliner tageszeitung (taz). Sie hatte in einem Kommentar den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) mit einem KZ-Aufseher verglichen.
Dokumente:
Institutionen:
Permanenter Link zu dieser News Nr. 473:
https://www.urheberrecht.org/news/473/
Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.
Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.
Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!
Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.