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20.11.2001; 19:47 Uhr
Bundesregierung gibt im Streit um Urheberrechtsreform nach
Bedenken der Verwerter "in großem Umfang" aufgegriffen - Gespräch des Börsenblatts mit Däubler-Gmelin

Die Bundesregierung gibt im Streit mit der deutschen Verwertungswirtschaft um eine Reform des Urhebervertragsrechts nach. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) erklärte am 20.11.2001 in einem Gespräch mit dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel (Börsenblatt), die Bundesregierung werde in Kürze eine überarbeitete Fassung des umstrittenen Gesetzentwurfs vorlegen, der die Bedenken der Verwerter in großem Umfang aufgreifen werde. Von den Änderungen betroffen ist offenbar vor allem der geplante gesetzliche Anspruch der Urheber auf angemessene Vergütung. Entscheidend ist vor allem, dass der Anspruch nach Darstellung Däubler-Gmelins entgegen den bisherigen Plänen nur noch gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner des Urhebers bestehen soll und nicht auch gegenüber anderen Werknutzern. Festhalten will die Bundesregierung aber offenbar an ihrer Absicht, bei der Frage der Angemessenheit von Nutzungsentgelten die Rolle gemeinsamer Vergütungsregelungen zu stärken. Die Verwertungswirtschaft nahm die Ankündigungen der Ministerin unterschiedlich auf. Während der Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Börsenverein) die Änderungspläne begrüßte und von einem "großen Fortschritt" sprach, bezeichnete der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) die Zugeständnisse der Bundesregierung als "völlig unzureichend" und kündigte weiteren Widerstand an. Enttäuscht zeigten sich vor allem die Gewerkschaften, die den Gesetzentwurf in der Vergangenheit stark unterstützt hatten. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) klagte, die Bundesregierung müsse sich die Frage gefallen lassen, ob sie ihre ursprünglichen Ziele aus den Augen verloren habe.

Im Zusammenhang mit dem geplanten gesetzlichen Anspruch der Urheber auf angemessene Vergütung sprach Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin gegenüber dem Börsenblatt von einer "veränderten Konzeption". Sie erklärte, der Anspruch solle nur noch gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner des Urhebers bestehen, nicht dagegen aber auch gegenüber anderen berechtigten Werknutzern. Der Anfang Juni 2001 von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern hatte gerade einen solchen "Durchgriffsanspruch" vorgesehen, was innerhalb der Verwertungswirtschaft für erhebliche Unruhe gesorgt hatte. Nach den Worten Däubler-Gmelins soll durch die Änderung vor allem Rückabwicklungsprobleme und ein Streit um das ungeklärte Verhältnis vertraglicher und gesetzlicher Ansprüche vermieden werden. Rechts- und Planungssicherheit für die Verwerter will die Ministerin auch durch eine Klarstellung schaffen, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Vergütung die Verhältnisse bei Vertragsschluss, also eine Sicht "ex ante", maßgeblich sein soll. Außerdem soll der gesetzliche Ergänzungsanspruch bereits nach drei und nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, erst nach zehn Jahren verjähren, was die Buchführung der Verwerter erleichtert. Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf werden sich nach Darstellung der SPD-Politikerin auch bei der Abtretbarkeit des Anspruchs ergeben. Entgegen den bisherigen Plänen sollen Urheber ihre entsprechenden Forderungen nicht im vornherein an Verwertungsgesellschaften abtreten können. Die Bundesregierung trägt damit Bedenken der Wirtschaft Rechnung, die gewarnt hatte, Streit innerhalb der Verwertungsgesellschaften, die Urheber und Verwerter unter einem Dach vereinen, sei sonst vorprogrammiert.

Kollektivvertragliche Regelungen sollen nach den Worten Däubler-Gmelins auch in dem geänderten Gesetzentwurf eine wichtige Rolle spielen. Die Angemessenheit einer Vergütung soll auch nach den geplanten Änderungen dann unwiderleglich vermutet werden, wenn sie gemeinsamen Vergütungsregelungen entspricht, die zu diesem Zweck von Urheber- und Werknutzervereinigungen aufgestellt werden. Die Ministerin erklärte, die Vergütungsregeln könnten und sollten nach dem Willen der Bundesregierung in Zukunft "das Gros der kreativen Leistungen regeln". Befürchtungen, entsprechende Regelungen seien auf Grund der Differenziertheit der Sachverhalte gar nicht möglich, wies die SPD-Politikerin zurück. Es gebe schon jetzt hervorragende Mustervereinbarungen, die bewiesen, dass viele Werkgattungen ohne weiteres typisier- und regelbar seien. Diese würden bisher nur leider zu wenig angewandt. Däubler-Gmelin gestand offen ein, dass der Gesetzentwurf darauf setze, dass Urheber und Verwerter "recht schnell" Absprachen träfen, um festzulegen, was als angemessen gelten solle und was nicht. Sie zeigte sich aber zuversichtlich, dass man sich in der Praxis rasch einigen werde. Ein erheblicher Anreiz gerade für die Verwerter sei schließlich, dass die entsprechenden Entgelte nach dem Gesetzentwurf "gerichtsfest" sein würden und Nachforderungen damit ausgeschlossen seien. Falls sich Urheber und Verwerter über die gemeinsamen Vergütungsregelungen nicht einig werden, soll nach dem geänderten Entwurf offenbar eine Schlichtungsstelle nach dem Vorbild der Einigungsstelle des Betriebsverfassungsgesetzes (BVG) angerufen werden können. Die Pläne, die dann erforderliche Entscheidung einem Schiedsgericht oder einer Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt (DMPA) zu überlassen, hat die Bundesregierung scheinbar aufgeben.

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