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05.11.2001; 16:02 Uhr
US-Fernsehsender klagen gegen digitale Videorekorder
Gerät verletzt angeblich Urheberrechte

Eine Reihe großer US-Fernsehsender hat in den Vereinigten Staaten Klage gegen einen Hersteller digitaler Videorekorder erhoben. Die Kläger, unter anderem die Stationen ABC, CBS, NBC und Showtime und ihre Muttergesellschaften, werfen dem kalifornischen Unternehmen SonicBlue vor, dessen Geräte ermöglichten Urheberrechtsverletzungen "in beispiellosem Umfang". In ihrer am 31.10.2001 an einem US-Bezirksgericht in Los Angeles eingereichten Klage verlangen die Sender, dass die internetfähigen Geräte erst gar nicht in den Handel gelangen dürften. Die Unternehmen begründen ihre Forderung damit, dass die strittigen Videorekorder es ermöglichten, Fernsehsendungen digital aufzuzeichnen und anschließend per E-Mail über das Internet zu verschicken. Außerdem könnten die Geräte so eingestellt werden, dass sie selbsttätig Werbesendungen im Fernsehprogramm entdeckten und löschten. Die Fernsehsender sehen sich dadurch in ihren Urheberrechten verletzt. Außerdem beklagten sie, die Rekorder verringerten den Anreiz, Fernsehprogramme herzustellen und zu verbreiten. Durch die Geräte werde die wirtschaftliche Grundlage eines ganzen Wirtschaftszweiges untergraben. SonicBlue hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Der Fall erinnert teilweise an die erfolglosen Versuche deutscher Fernsehsender, gerichtlich den Vertrieb von sogenannten "Werbeblockern" untersagen zu lassen.

Nach Auffassung der Fernsehsender verstößt der Vertrieb der digitalen Videorekorder gegen den U. S. Copyright Act und den U. S. Communications Act. Die Sender beklagen, die Geräte versetzten die Verbraucher in die Lage und ermutigten sie geradezu dazu, unberechtigte digitale Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Fernsehprogramme anzufertigen und anschließend über Hochgeschwindigkeitsanschlüsse über das Internet zu verschicken. Das gehe weiter über das hinaus, was die amerikanischen Gerichte im Zusammenhang mit analogen Videorekordern als "angemessene Nutzung" ("fair use") anerkannt habe. Der U. S. Supreme Court hatte im Jahr 1984 entschieden, dass das private Aufzeichnen von Fernsehsendungen zum Zweck des zeitversetzten Betrachtens ("time shifting") als angemessener eigener Gebrauch erlaubnisfrei sei. Die Sender meinten, mit den neuen, internetfähigen digitalen Geräten erreichten die Aufzeichnungen eine völlig neue Qualität. So sei zu befürchten, dass durch die neuen technischen Möglichkeiten Bezahlfernsehangebote stark unterlaufen würden. Im Zusammenhang mit der Ausblendung von Werbesendungen warnten die Unternehmen, die dazugehörigen Erlöse seien eine wesentliche und oft genug die einzige Einnahmequelle der Fernsehsender.

SonicBlue verwahrte sich gegen die Vorwürfe und wies darauf hin, man habe dafür Sorge getragen, dass die neuen Geräte nicht zu einem neuen "Napster" auf dem Fernsehmarkt führen würden. Das Unternehmen aus dem kalifornischen Santa Clara erklärte, die neuen Rekorder erleichterten den Verbrauchern nur das, was diese ohnehin schon täten. Die Entscheidung, mitgesendete Werbung nicht anzusehen, bleibe in jedem Einzelfall den Benutzern der Geräte überlassen. Wenn sie sich entschieden, Werbeblöcke zu überspringen, sei das nichts anderes als die Benutzung der Vorspultaste bei herkömmlichen Videorekordern. Das aufgezeichnete Sendungen in großem Umfang über das Internet verbreitet würden, sei nicht zu erwarten. Zum einen seien sehr wenig Anschlüsse vorhanden, die dafür schnell genug seien. Zum anderen würden die meisten Provider den Versand entsprechender Dateien wegen derer erheblichen Größe ohnehin nicht zulassen. SonicBlue wies außerdem darauf hin, die umstrittenen Geräte seien so eingestellt, dass einzelne Sendungen höchstens 15 Mal verschickt werden könnten. Zusätzlich seien die Rekorder, die auf eingebauten Festplatten bis zu 320 Stunden Sendezeit aufzeichnen können. vorbereitet für digitales Rechtemanagement (DRM).

Der Rechtsstreit erinnert in Teilen an die Versuche des deutschen Senders RTL, dem Koblenzer Unternehmen TC Unterhaltungselektronik gerichtlich den Vertrieb der sogenannten "Werbefee" untersagen zu lassen. Dieses Gerät in der Größe einer Zigarrettenschachtel blendet Werbeblöcke aus dem laufenden Programm aus, in dem es auf einen anderen Kanal umschaltet. Möglich wird das durch entsprechende Steuersignale, die der Hersteller über das herkömmliche Radio-Daten-System (RDS) im Hörfunk ausstrahlt und die von den Geräten empfangen werden. Auch bei Aufzeichnungen mit dem Videorekorder blendet die "Fernsehfee" die Werbung automatisch aus. RTL hatte sich vor Gericht darauf berufen, der Werbeblocker verletze die Rundfunkfreiheit und den Rundfunkstaatsvertrag. Die Sender seien gesetzlich aufgefordert, ein vielfältiges Programmangebot sicherzustellen. Dazu gehöre auch die Werbung als wesentlicher Bestandteil des Fernsehprogramms. RTL machte außerdem geltend, die Werbeblocker bedrohten das wirtschaftliche Bestehen des Senders. Schließlich sei man als frei empfangbares Programm darauf angewiesen, sich durch Werbung zu refinanzieren. Das Kammergericht Berlin wies die Klage von RTL im Juli 2001 in zweiter Instanz zurück.

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[IUM/jz]

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