US-Computerindustrie wehrt sich gegen zwangsweise Kopierschutzvorrichtungen
Die großen Hard- und Softwarehersteller der USA machen Front gegen Pläne, für alle Geräte zur Wiedergabe digitaler Inhalte Vorkehrungen zum Schutz gegen Urheberrechtsverletzungen zwingend gesetzlich vorzuschreiben. Vertreter der Unternehmen Compaq, Dell, IBM, Intel, Motorola und Microsoft erklärten am 22.10.2001 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Washington, ein im August 2001 bekannt gewordener Gesetzentwurf der Senatoren Ernest Hollings und Ted Stevens dürfe nicht in Kraft treten. Nach dem von den Senatoren vorgelegten, aber noch nicht ins Gesetzgebungsverfahren eingebrachten Security Systems Standards and Certification Act (SSCA) würde sich in Zukunft beispielsweise schadensersatzpflichtig machen, wer CD-Spieler oder Personal Computer (PCs) herstellt oder verkauft, die keine behördlich zugelassenen Schutzvorrichtungen ("certified security technologies") beinhalten und benutzen. Für die Verbreitung urheberrechtlich geschützten Materials, bei dem Kopierschutzmechanismen umgangen wurden, drohen nach dem Entwurf bis zu fünf Jahren Freiheits- oder 500.000 US-Dollar Geldstrafe. Der Vorschlag wird von einigen Unternehmen der US-Filmindustrie unterstützt, allen voran von der Walt Disney Corporation. Der Wirtschaftsausschuss des US-Senats wird sich am 25.10.2001 erstmals mit dem Gesetzentwurf befassen.
Ein Sprecher der im Computer Systems Policy Project (CSPP) zusammengeschlossenen US-Computerindustrie, Ken Kay, sprach auf der Pressekonferenz in Washington von einem "ungerechtfertigten Eingriff" ("unwarranted intrusion") des Gesetzgebers in das Marktgeschehen. Er warnte davor, die vorgeschlagenen Regelungen würden die technische Entwicklung lähmen. Das Gesetz würde die Regierung zwingen, bestimmte Kopierschutzverfahren verbindlich vorzuschreiben, und damit "über Gewinner und Verlierer auf dem Markt zu entscheiden". Kay spielte damit auf Regelungen des Gesetzentwurfs an, nach denen in den USA in Zukunft nur solche "interaktiven digitalen Geräte" hergestellt, verkauft oder vertrieben werden dürften, die vom US-Wirtschaftsministerium "zugelassene Sicherheitstechnologien" beinhalten oder benutzen. Die entsprechenden Sicherheitsverfahren soll die Behörde festlegen, falls sich die Verwertungswirtschaft nicht innerhalb von zwölf Monaten auf einen Standard einigt. Als "interaktives digitales Gerät" definiert der Gesetzesvorschlag alle Hard- oder Software, die in der Lage ist zum "Speichern, Laden, Verarbeiten, Ausführen, Übertragen, Empfangen oder Vervielfältigen von Informationen in digitaler Form". Betroffen von den neuen Regelungen wären damit nicht nur Geräte zur Wiedergabe digital aufgezeichneter Musik oder Filme, sondern beispielsweise auch Apparate zum Lesen elektronischer Bücher ("E-Books").
Die größten Unterstützer hat der geplante SSSCA in der US-Filmwirtschaft. Erklärter Befürworter des Gesetzentwurfs ist unter anderem die Walt Disney Corporation, die sich in den letzten Wochen öffentlich für den Vorschlag stark gemacht hat. Nach US-Medienberichten steht auch die News Corporation des Medienunternehmers Rupert Murdoch hinter den Plänen von Hollings und Stevens. Vorbehalte gegen den Gesetzentwurf in der vorliegenden Form hat dagegen angeblich der Medienkonzern AOL Time Warner. Die uneinheitliche Haltung der US-Filmbranche spiegelt auch die Stellungnahme der Motion Picture Association of America (MPAA) wieder. MPAA-Präsident Jack Valenti erklärte, sein Verband unterstütze den Gesetzentwurf, soweit er eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie zur Einführung von Standards für Verschlüsselungsverfahren, digitale Wasserzeichen und digitales Rechtemanagement (DRM) befürworte. Sobald eine entsprechende Vereinbarung zu Stande gekommen sei, werde man auch angemessene Maßnahmen des Gesetzgebers zum Urheberrechtsschutz durch technische Vorrichtungen unterstützen, meinte Valenti.
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