mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
07.09.2001; 12:44 Uhr
Verschlüsselungsexperten in den USA gehen offline
Angst vor Strafverfolgung nach dem DMCA

Aus Angst vor Strafverfolgung ziehen in den USA immer mehr Wissenschaftler und Sicherheitsexperten Veröffentlichungen zu Verschlüsselungsverfahren zurück. Der Nachrichtendienst ZDNetNews berichtet am 6.9.2001, mit New Haven-Professor Fred Cohen habe vor wenigen Tagen ein weiterer Forscher Arbeitsergebnisse von seinen Internet-Seiten entfernt. Der Bericht verweist außerdem auf den Fall des niederländischen Verschlüsselungsexperten Niels Ferguson, der bereits im August 2001 angekündigt hatte, keine Einzelheiten zur Entdeckung einer größeren Sicherheitslücke in Intels High-Bandwidth Digital Content Protection (HDPC) zu veröffentlichen. Cohen und Ferguson befürchten, wegen Verletzung des Digital Millenium Copyright Act (DMCA) angeklagt zu werden und ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie der russische Programmierer Dmitry Sklyarov. Dem zeitweilig inhaftierten Angestellten des Moskauer Unternehmens ElcomSoft drohen wegen eines Vortrags Mitte Juli in Las Vegas bis zu fünf Jahre Haft oder 500.000 US-Dollar Geldstrafe.

Dass der DMCA die Umgehung von Verschlüsselungsverfahren zu Forschungszwecken in bestimmten Fällen ausdrücklich erlaubt, kann die Forscher nicht beruhigen. "Als sie begannen, Leute festzunehmen und Forscher zu bedrohen, habe ich mich entschlossen, dass es mir das rechtliche Risiko nicht wert ist" zitiert ZDNetNews Cohen. Er habe deswegen sein Programm Forensix, das für Zwecken der digitalen Forensik entwickelt wurde, von seinen Internet-Seiten entfernt. Der Professor der University of New Haven meinte, das Risiko eines kostspieligen Rechtsstreites wolle er nicht eingehen. Ähnlich äußerte sich auch Ferguson. "Ich reise regelmäßig in die Vereinigten Staaten", meint der Niederländer auf der Website seines Unternehmens MacFergus. "Ich kann es mir einfach nicht leisten, in den USA verklagt oder verfolgt zu werden. Ich würde mich mit den Anwaltsrechnungen ruinieren." Aus ähnlichen Gründen will vermutlich auch ein US-amerikanischer Programmierer ungenannt bleiben, dem es nach einem Bericht der MIT Technology Review von Ende August gelungen ist, den Kopierschutz von Microsofts Reader zu umgehen.

Die Äußerungen von Cohen und Ferguson haben Parallelen zum Fall des Princeton-Professors Edward Felten. Der Forscher hatte Anfang des Jahres gemeinsam mit Kollegen von der Rice University vier Verfahren zur Kennzeichnung von Musik mit digitalen Wasserzeichen entschlüsselt. Die Ergebnisse seiner Arbeit wollte Felten im April 2001 auf einem Kongress in Pittsburg vorstellen. Nachdem die Recording Industry Association of America (RIAA) von ihm verlangt hatte, bestimmte Abschnitte seines Vortrags zu streichen, erhob Felten Anfang Juni 2001 Klage. Der Wissenschaftler will gerichtlich sein Recht feststellen lassen, seine Forschungsergebnisse zu zu veröffentlichen. Die Regelungen des DMCA, die dieses Recht einschränken, hält Felten für verfassungswidrig. Inzwischen konnte der Professor in dem Rechtsstreit zumindest einen Teilsieg verbuchen. Nach einer Zusicherung der RIAA, ihn nicht deswegen zu verklagen, konnte Felten seine umstrittenen Forschungsergebnisse auf einem Kongress Mitte August in Washington vorstellen.

Die Entschlüsselung von Verfahren, die Zwecken des Kopierschutzes dienen, regelt Abschnitt 1201 des U. S. Copyright Act. Die Verbreitung von Mitteln zur Umgehung von Kopierschutzmechanismen ist nach dieser Vorschrift grundsätzlich untersagt. Veröffentlichungen zu wissenschaftlichen Zwecken lässt das Gesetz nur ausnahmsweise und nur unter nähere geregelten Voraussetzungen zu. Unter anderem muss der betroffene Forscher das geschützte Werk rechtmäßig erlangt haben und die Veröffentlichung zu Zwecken der Forschung erforderlich sein. Außerdem stellt das Gesetz darauf ab, ob der Forscher die Ergebnisse seiner Arbeit dem Rechteinhaber zur Verfügung stellt, um diesem eine Verbesserung der Kopierschutzmechanismen zu ermöglichen. In die Kritik geraten sind diese Regelungen nicht nur, weil sie die Meinungsfreiheit einschränken. Fachleute warnen, die Vorschriften seien auch innovationsfeindlich, weil sie die Diskussion über mögliche Verbesserungen verhinderten. Außerdem ermöglichten sie es Unternehmen, Sicherheitslücken in ihren Produkten zu verheimlichen.

Dokumente:

Institutionen:

[IUM/jz]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 365:

https://www.urheberrecht.org/news/365/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.