Liberty Media will ab Sommer 2002 eigenes Programm anbieten
Nach dem Kauf von sechs regionalen Kabelnetze der Deutschen Telekom will die Unternehmensgruppe Liberty Media schon im Sommer 2002 in Deutschland ein eigenes Kabelprogramm anbieten. Die monatliche Gebühr für Privathaushalte werde "irgendwo zwischen 20 und 30 Mark liegen, inklusive des Dekoders", sagte Liberty Media-Chef John Malone gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Malone meinte, er rechne damit, "dass wir etwa fünf bis sechs Monate brauchen, um den ganzen Regulierungskram zu erledigen und den Kauf juristisch abzuwickeln". Ein weiteres halbes Jahr werde es dauern, bis eine ausreichende Anzahl von Dekodern beschafft sei. Malone kündigte an, Liberty Media wolle für den Ausbau der Kabelnetze und den Aufbau neuer Angebote in Deutschland zehn bis zwölf Milliarden Mark ausgeben. In einem Gespräch mit der Zeitschrift Focus warnte Malone die Bundesländer gleichzeitig davor, die medienpolitischen Rahmenbedingungen für das Vorhaben zu verschlechtern. "Wenn wir feststellen, dass unsere Vision vom Aufbau eines neuen Dienstleistungsbereichs an den Regulatoren und an einem unfreundlichen Klima scheitern, werden wir aus dem Vertrag aussteigen müssen", meinte der Manager.
In dem Gespräch mit dem Spiegel versuchte Malone auch, Befürchtungen zu zerstreuen, Liberty Media, das an AOL Time Warner und Murdochs News Corporation beteiligt ist, werde deutsche Rundfunkanbieter aus den Kabelnetzen verdrängen. Wegen des deutschen Medienrechts könne das Unternehmen ohnehin nicht frei entscheiden, welche Programme ins Kabel eingespeist würden. "Sender, die heute eine Lizenz in Deutschland besitzen, werden auch in Zukunft über Kabel zu sehen sein", meinte Malone. Nach seinen Angaben will Liberty Media die Anzahl der angebotenen Programme im Kabelfernsehen von zur Zeit 30 auf 80 aufstocken. "Das sollte für den Anfang reichen." Malone räumte ein, er wisse nicht, was die Deutschen am liebsten im Fernsehen sehen würden. Er meinte aber: "Was immer es ist, wir werden es ihnen bieten." Man werde aber sicher nicht in Denver entscheiden, das im deutschen Kabelfernsehen ankomme. Der Liberty Media-Chef kann sich beim Aufbau neuer Angebote auch eine Kooperation mit der Münchener Kirch-Gruppe vorstellen. Zu einer möglichen Zusammenarbeit meinte er: "Kirch hat sich festgefahren. Er braucht uns definitiv. Er braucht uns, um die Probleme mit seinem Decoder in den Griff zu bekommen, und er braucht uns, um endlich auf vernünftige Reichweiten zu bekommen. Für uns jedenfalls wäre es hilfreich, wenn wir mit ihm ins Geschäft kommen könnten, anstatt uns mit ihm zu zerstreiten."
Unterdessen haben sich auch die Gewerkschaften zum Verkauf der Kabelnetze an das US-Unternehmen zu Wort gemeldet. Die Dienstleistungsgewerkschaft verdi sprach sich am 7.9.2001 dafür aus, zu Gunsten der deutschen Rundfunkveranstalter im Rundfunkstaatsvertrag (RfStV) einen Einspeisungszwang für die Kabelnetze zu schaffen. "Wir brauchen eine must-carry-Regelung", meinte der Leiter des Fachbereichs "Medien" von verdi, Frank Werneke. Nur so könne die gesetzlich geforderte Grundversorgung gewährleistet und ein vielfältiges Programmangebot sichergestellt werden. Dadurch, dass als Kabelnetzbetreiber erstmals ein Inhalteanbieter auftrete, habe der Konzentrationsprozess im Medien- und Telekommunikationsbereich neue Stufe erreicht, warnte Werneke. Regulierungsbedarf sehen die Gewerkschaftler auch beim Wettbewerb zwischen Liberty Media und den kleinen Kabelnetzbetreibern, die die "Brücke zum Endverbraucher" schlügen. "Die Zulassung von Liberty Media auf dem bundesdeutschen Kabelnetzmarkt ist die Freisetzung des Hechts im Karpfenteich", kritisierte das für den Telekommunikationsbereich zuständige verdi-Vorstandsmitglied Rüdiger Schulze. Beide Funktionäre forderten, das Bundeskartellamt müsse den Kauf und seine Folgen sorgfältig prüfen, falls erforderlich Auflagen aussprechen und notfalls untersagen.
Die Telekom hat sich am 4.9.2001 mit Liberty Media über den Verkauf ihrer letzten sechs regionalen Kabelnetze geeinigt. Liberty Media bekommt mit dem Kauf Zugriff auf mehr als zehn Millionen angeschlossene Haushalte, die etwa 40 Prozent des deutschen Kabelmarktes ausmachen. Der vereinbarte Kaufpreis von 5,5 Milliarden Euro (etwa 10,8 Milliarden Mark) wird aber nur fällig, wenn das Bundeskartellamt die Übernahme genehmigt. Liberty Media-Chef Malone ist es außerdem gelungen, umfangreiche Ausstiegsklauseln für den Fall durchzusetzen, dass sich die medienrechtlichen Rahmenbedingungen für das Vorhaben verschlechtern. Vertreter aus Politik und Wirtschaft, darunter der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), hatten im Vorfeld gefordert, durch eine Änderung des RfStV auch nach dem Übergang der Kabelnetze Programmvielfalt und Netzzugang zu sichern. Die Investoren wollen die Breitbandnetze auf die zukunftsträchtige digitale Technik umstellen und dort in Zukunft auch Sprachtelefonie, Internetzugänge und interaktives Fernsehen anbieten. Voraussetzung für die Nutzung der neuen Angebote ist die Anschaffung digitaler Endgeräte. Weil für die neuen Dienste außerdem ein Rückkanal vom Verbraucher zum Anbieter erforderlich ist, muss die Kanalbelegung in den Kabelnetzen geändert werden. Das geht zu Lasten der bisher über das Kabel übertragenen analogen Programme, die nur zum Teil in bisher nicht genutzte Frequenzbereiche verschoben werden können.
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