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04.07.2001; 20:24 Uhr
Dürfen Büchereien E-Books verleihen?
Streit in den USA zwischen Bibliotheken und Verlagen - unklare Rechtslage

In den Vereinigten Staaten ist ein Streit darüber entstanden, ob öffentliche Büchereien elektronische Bücher, sogenannte E-Books, verleihen dürfen. Verlage und Autoren befürchten durch entsprechende Angebote eine Aushöhlung ihrer Urheberrechte. Außerdem sehen sie ihre Aufwendungen in den Aufbau eigener Vertriebswege gefährdet. Die Rechtslage in den USA ist unklar, der Gesetzgeber hat das Problem bisher bewusst offen gelassen.

Die Ausleihe von E-Books wird in den Vereinigten Staaten bereits von Hunderten öffentlicher Bibliotheken angeboten. Zur Auszahl stehen dabei in manchen Büchereien mehrere Tausend Titel, die von angemeldeten Nutzern kostenlos oder gegen eine geringe Ausleihgebühr auf den eigenen Rechner heruntergeladen werden können. Die abgerufenen Textdateien haben in der Regel eine Art "Haltbarkeitsdatum" eingebaut, nach deren Ablauf sie nicht mehr gelesen werden können. Eine "Rückgabe" der ausgeliehenen Bücher ist deswegen nicht erforderlich. Deswegen und weil die entsprechenden Internet-Angebote rund um die Uhr erreichbar sind, hat die neue Ausleih-Möglichkeit bei Bibliothekaren und Benutzern schnell Freunde gefunden.

Die Buchverlage in den USA sind wegen der neuen Entwicklung beunruhigt. Viele Verleger befürchten, dass ihre eigenen E-Book-Angebote kannibalisiert werden könnten, die sie in den letzten Jahren mit erheblichem Aufwand und großen Hoffnungen aus dem Boden gestampft haben. Die Verlage beklagen, die öffentlichen Bibliotheken höhlten durch das kostenlose Ausleihen elektronischer Bücher ihre Verwertungsrechte aus. Einige Unternehmen weigern sich aus diesem Grund schon jetzt, an Büchereien E-Books zu verkaufen. Andere beginnen sich darüber Gedanken zu machen, ob das große Geschäft mit E-Books möglicherweise nicht mit den Endkunden, sondern vielleicht mit den Bibliotheken zu machen ist.

Die Verlagswirtschaft bekommt nun schmerzhaft zu spüren, dass der zögerliche US-amerikanische Gesetzgeber das Problem bei der Verabschiedung des Digital Millenium Copyright Act (DMCA) im Jahr 1998 bewusst offen gelassen hat, um nicht eindeutig für die eine oder andere Seite Stellung beziehen zu müssen. Stattdessen beauftragte der US-Kongress eine Arbeitsgruppe des US-Copyright Office, die zu der Streitfrage Stellung nehmen sollte. Die Veröffentlichung eines entsprechenden Berichts wurde in der Vergangenheit bereits mehrmals verschoben, steht nach Medienberichten aber möglicherweise in den nächsten Wochen bevor.

Bei herkömmlichen, gedruckten Büchern ist die Rechtslage in den USA - wie auch in Deutschland - eindeutig. Bibliotheken können Bücher, die von einem Verlag rechtmäßig veröffentlicht wurden, ausleihen, ohne dadurch Urheberrechte zu verletzten. Grundlage dafür ist die sogenannte "first sale doctrine" des amerikanischen Urheberrechts, nach der sich die Rechte des Urhebers an einer Vervielfältigung seines Werks mit der ersten Veräußerung erschöpfen. Die "first sale doctrin" entspricht damit weitgehend dem sogenannten Erschöpfungsgrundsatz des deutschen Urheberrechts. Ob entsprechendes auch für digitale Vervielfältigungen eines Werks gelten soll, ist umstritten. Verleger und Autoren berufen sich darauf, dass sich eine Ausweitung der "first sale doctrin" verbiete, weil weil im "Ausleihen" einer digitalen Vervielfältigung eine nochmalige Vervielfältigung liege, die noch dazu ohne Qualitätsverlust möglich sei.

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