USA: Oberstes Bundesgericht stärkt Urhebern den Rücken
Das oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten hat die Rechtsstellung der Urheber gegenüber der Verwertungswirtschaft entscheidend gestärkt. Der U. S. Supreme Court entschied am 26.6.2001, die elektronische Nutzung von Beiträgen freier Mitarbeiter sei eine selbstständige Nutzungsart und deshalb nur mit Einwilligung der Urheber zulässig. In Folge des Urteils müssen einige der größten Verlage der USA Hunderttausende von Artikeln, für die Ihnen die Autoren keine elektronischen Nutzungsrechte eingeräumt hatten, aus ihren Datenbanken löschen. Außerdem kommen auf die US-amerikanische Verwertungswirtschaft Schadensersatzklagen in Millionenhöhe zu.
In den Vereinigten Staaten hatten die Verlage bereits seit Mitte der 80er Jahre begonnen, Beiträge aus Zeitungen und Zeitschriften in elektronischen Datenbanken zu erfassen. Die gesammelten Texte und Abbildungen wurden anschließend für die Veröffentlichung von CD-ROMs und für kostenpflichtige Nachrichtendatenbanken genutzt. Entsprechene Nutzungsrechte hatten sich die Verleger von den Urhebern aber erst seit Mitte der 90er Jahre einräumen lassen. Gegenüber den Honorarforderungen von Autoren stellten sich die Verlage auf den Standpunkt, die elektronische Verwertung der Beiträge sei ohne Einwilligung der Verfasser zulässig und nicht entgeltpflichtig.
Ein freier Mitarbeiter der New York Times, Jonathan Tasini, erhob deshalb bereits im Jahr 1993 Klage gegen die New York Times Co., die außer der New York Times eine Reiher weiterer Tageszeitungen herausgibt. Tasini, der als Präsident der National Writers Union (NWU) Vorsitzender eines der größten Schriftstellerverbände der USA ist, berief sich gegenüber dem Verlag auf eine Verletzung seiner Urheberrechte. Die elektronische Verwertung seiner Beiträge sei eine selbständige Nutzungsart und bedürfe seiner vorherigen Einwilligung. Die elektronisch gespeicherten Artikel könnten als selbständige Werke ("freestanding works") genutzt werden und Teile ganz neuer Zusammenstellungen bilden ("be part of entirely new compilations"). Tasinis Klage schlossen sich später fünf weitere freie Mitarbeiter der New York Times Co. und anderer Verlage an, darunter der Time Co.und der Newsday Co..
Vor Gericht hatten die Autoren zunächst wechselhaften Erfolg. Im Jahr 1997 gab ein US-Bezirksgericht in einem Verfügungsverfahren ("summary jugdement") zunächst den Verlagen Recht. Zwei Jahre später wurde diese Entscheidung in der Berufungsinstanz aber wieder aufgehoben. Das Urteil des U. S. Supreme Court, das mit sieben zu zwei Stimmen recht deutlich ausfiel, zieht unter den über achtjährigen Rechtsstreit zunächst einen Schlussstrich. Bemerkenswert ist der Beschluss der Bundesrichter auch deswegen, weil danach nicht nur die Verleger, sondern möglicherweise auch die Datenbankbetreiber für Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können. Über die Höhe des Schadensersatzes, den die Autoren wegen der rechtswidrigen Nutzung ihrer Texte von den Verlegern verlangen können, muss allerdings noch von einem US-Bezirksgericht entschieden werden.
Die New York Times Co. zeigte sich über die Entscheidung des Obersten Bundesgerichts "extrem enttäuscht". Der Verlag beklagte, in Folge des Urteils müssten fast alle Beiträge freier Mitarbeiter aus den verlagseigenen Datenbanken entfernen. Betroffen seien etwa 115.000 Texte von rund 27.000 Autoren. Der Richterspruch gefährde damit wesentliche Teile des historischen Archives der New York Times und anderer Zeitungen. Wegen den Schadensersatzforderungen, die wegen der Entscheidung auf die US-amerikanischen Verleger zukommen, erwägen die Verlage eine Eingabe an den US-Kongress. Der Gesetzgeber solle die elektronische Nutzung von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln rückwirkend erlauben, um die Verlage nicht einer ruinösen Klageflut auszusetzen.
Schriftstellervereinigungen, allen voran die NWU, begrüßten das Urteil dagegen als wegweisend. Den Verlagen boten sie in einem offenen Brief umgehend Vertragsverhandlungen über neue Abrechnungsverfahren für die elektronische Nutzung urheberrechtlich geschützter Beiträge an. Die NWU wies darauf hin, sie habe mit dem sogenannten Publication Rights Clearinghouse ein elektronisches Lizensierungssystem entwickelt, das den Anforderungen von Urhebern und Verwertern gleichermaßen gerecht werde.
Dokumente:
- Entscheidung des US-Supreme Court vom 25.6.2001 (Tasini vs. New York Times Co.)
- Offener Brief der National Writers Union vom 25.6.2001
Institutionen:
Permanenter Link zu dieser News Nr. 250:
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