Verleger erneuern Kritik an geplanter Urheberrechtsreform
Die deutschen Verleger haben ihre Kritik an der geplanten Urheberrechtsreform erneuert. In einer am 11.6.2001 bekannt gewordenen gemeinsamen Stellungnahme greifen der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) den Regierungsentwurf für ein neues Urhebervertragsrecht, der am 30.5.2001 von Bundesjustizministerin Herta Däuber-Gmelin (SPD) in Berlin vorgestellt worden war, nochmals scharf an. Die Verleger wenden sich vor allem gegen die Einführung gesetzlicher Vergütungsansprüche und gemeinsamere Vergütungsregeln, die der Gesetzentwurf vorsieht. Die geplanten Neuregelungen griffen unverhältnismäßig in die Vertragsfreiheit ein und führten für die Verwertungswirtschaft zu erheblicher Rechtsunsicherheit und wirtschaftlichen Nachteilen, beklagen die Verleger.
Nach dem Gesetzesvorschlag, der von der Bundesregierung am 1.6.2001 ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde, können Urheber von jedem, der berechtigterweise ihre Werke nutzt, eine nach Art und Umfang der Werknutzung "angemessene Vergütung" und die zu ihrer Geltendmachung erforderlichen Auskünfte verlangen. Die Höhe der Vergütung regelt der Entwurf nicht. Die Angemessenheit eines Nutzungsentgelts soll aber vermutet werden, wenn das Entgelt in einem Tarifvertrag oder in "gemeinsamen Vergütungsregeln" festgelegt ist. Aufgestellt werden sollen diese gemeinsamen Vergütungsregeln von Urheber- und Werknutzervereinigungen, die "repräsentativ, unabhängig und zur Aufstellung ermächtigt" sein sollen. Im Streitfall soll über die Regeln ein Schiedsgericht entscheiden, gegen dessen Beschluss den Beteiligten die Klage zu den ordentliche Gerichten offenstehen soll. Verjähren sollen die gesetzlichen Vergütungsansprüche drei Jahre nach Kenntnis des Urhebers von ihrem Entstehen, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren nach diesem Zeitpunkt.
Die Verleger beklagen in ihrer Stellungnahme, der gesetzliche Vergütungsanspruch führe dazu, dass der rechtmäßige Werknutzer genau so gut und genauso schlecht dastehe wie derjenige, der vorsätzlich fremde Urheberrechte verletze. Die Regelung führe außerdem zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Die Verwerter müssten ständig damit rechnen, dass Urheber die Angemessenheit vertraglich vereinbarter Vergütungen nachträglich gerichtlich überprüfen liessen. Gerade für kleinere und mittelständische Verlage habe diese Unsicherheit schwerwiegende Folgen, weil sie einer verlässlichen Kalkulation die Grundlage entziehe und die Aufnahme von Krediten verteuere. Verhängnisvoll sei es auch, dass der Gesetzentwurf den Gerichten keine Umstände vorgebe, anhand derer die Angemessenheit von Vergütungsvereinbarungen zu beurteilen sei. Die Verleger warnen, aus diesem Grund sei mit einer Flut uneinheitlicher und sich möglicherweise widersprechender Entscheidungen der Untergerichte zu rechnen.
Bezüglich der vom Gesetzesvorschlag vorgesehenen gemeinsame Vergütungsregeln kritisieren die Verleger, für ganze Märkte festgelegte Entgelte würden den in vielen Fällen auf bestimmte Teilmärkte und für bestimmte Kunden individuell zugeschnittene Werkschöpfung nicht gerecht. Die Begründung dafür, warum gemeinsame Vergütungsregeln überhaupt erforderlich seien, bleibe der Gesetzentwurf schuldig. Die Behauptung der Bundesregierung, die Urheber seien gegenüber den Verwertern "strukturell unterlegen", werde nicht belegt. Auch die Annahme des Gesetzenwurfs, die zwischen Urhebern und Verwertern vertraglich ausgehandelte Vergütungen seien regelmäßig unangemessen niedrig, werde nicht ausgeführt. Die Gesetzesbegründung enthalte keinerlei Angaben zur wirtschaftliche und soziale Lage der Urheber.
Die Verleger weisen in ihrer Stellungnahme darauf hin, für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten im Tageszeitungsbereich würden bereits jetzt nach § 12a des Tarifvertragsgesetzes (TVG) Gehaltstarifverträge abgeschlossen. Auf Arbeitnehmerseite seien dabei die Industriegewerkschaft Medien (IG Medien) und der Deutsche Journalistenverband (DJV) beteiligt. Beide Vereinigungen seien durchsetzungsstarke Gewerkschaften, die ihre Fähigkeit und Bereitschaft zum Arbeitskampf in der Vergangenheit unter Beweis gestellt hätten. Arbeitnehmerähnliche freie Journalisten könnten so ihre Interessen gegenüber den Verlegern erfolgreich durchsetzen. Ausgerechnet der nun vorgelegte Gesetzentwurf, der die vertragliche Stellung der Urheber stärken solle, wolle mit den vorgesehenen gemeinsamen Vergütungsregeln die Tarifverträge nach § 12a TVG bewusst verdrängen und die Verwerter stattdessen in die gerichtliche Schlichtung zwingen. BDZV und VDZ kritisieren, der Gesetzgeber verletze damit seine Neutralitätspflicht gegenüber den Tarifvertragsparteien.
Dokumente:
- Stellungnahme von BDZV und VDZ vom 11.6.2001
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern (Regierungsentwurf zum Urhebervertragsrecht) v. 30.5.2001
- Urheberrechtsgesetz (UrhG) v. 9.9.1965 i. d. F. v. 1.9.2000
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