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24.05.2001; 15:41 Uhr
EU weit entfernt von einem "Fernsehen ohne Grenzen"
EU-Kommission legt Studie zur Umsetzung der Fernseh-Richtlinie vor

Der stark regulierte europäische Fernsehmarkt ist mehr denn je weit entfernt von einem "Fernsehen ohne Grenzen". Das ist ein Ergebnis einer Studie zur Umsetzung des dritten Kapitels der EU-Fernsehrichtlinie, die die Europäische Kommission (EK) am 22.5.2001 in Brüssel vorgelegt hat. Die sechsmonatige Studie, die vom Europäischen Medieninstitut e. V. (EIM) durchgeführt wurde, beschäftigt sich im wesentlichen mit der Frage, wie die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) die Begriffe der Fernsehrichtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Darüber hinaus enthält die Studie aber auch einen Überblick über weitergehende Regelungen, mit denen in einzelnen Ländern bestimmte Fernsehproduktionen gefördert werden sollen.

Das dritte Kapitel der EU-Fernsehrichtlinie enthält Regelungen über Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen. Nach Artikel vier der Richtline müssen die EU-Mitgliedsstaaten "im Rahmen des praktisch Durchführbaren" gewährleisten, dass der "Hauptanteil" der Sendezeit einzelner Fernsehveranstalter europäischen Produktionen vorbehalten bleibt. Nachrichten, Sportsendungen, Spielshows, Werbung, Teleshopping und Teletext sollen dabei nach der Richtlinie außer Betracht bleiben. In Artikel fünf der Richtlinie haben sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass zehn Prozent der Sendezeit oder zehn Prozent der Haushaltsmittel einzelner Rundfunkveranstalter für europäische Produktionen zur Verfügung steht, deren Produzenten von Fernsehveranstaltern unabhängig sind.

Bezüglich des Begriffs der "Sendezeit" haben die meisten Mitgliedsstaaten den Wortlaut der Richtlinie unverändert übernommen. Einige Länder haben den Begriff dagegen enger gefasst. So werden in Italien Talkshows nicht mitberücksichtigt. In Deutschland schliesst der Begriff "Sendezeit" nur Filme, Fernsehfilme, Fernsehserien, Dokumentationen und vergleichbare Produktionen ein. Noch wesentlich uneinheitlicher haben die Mitgliedsstaaten den Begriff des "Hauptanteils" umgesetzt. Während eine Reihe von Mitgliedsstaaten (darunter Frankreich, Italien und die Niederlande) gesetzlich einen bestimmten Prozentsatz festschreibt, fordern andere, "mehr als die Hälfte", der "größte Teil" oder der "Hauptteil" der Sendezeit müsse europäischen Produktionen vorbehalten sein. Die strengste Regelung hat Frankreich erlassen, wo 60 Prozent der Sendezeit für europäische Produktionen reserviert sind. Irland dagegen fordert das nur für einen "vernünftigen Anteil" ("reasonable proportion"), Großbritannien für einen "angemessenen Anteil" ("proper proportion").

Vollends unübersichtlich wird die Rechtslage in den einzelnen Mitgliedsstaaten bei der Förderung unabhängiger Produktionen. Gesetzlich definiert ist der Begriff des "unabhängigen Produzenten" nur in 9 von 18 europäischen Ländern. Die meisten Mitgliedsstaaten stellen dabei auf die Beteiligung von Fernsehveranstaltern an Produktionsunternehmen ab und geben dafür bestimmte Prozentsätze an. Am strengsten ist die Rechtslage soweit in Italien, wo ein Fernsehproduzent bereits dann nicht mehr als unabhängig gilt, wenn an ihm ein Fernsehveranstalter in irgendeiner Form beteiligt ist, unabhängig vom Umfang dieser Beteiligung. Frankreich stellt beim Begriff des "unabhängigen Produzenten" auf den Inhaber der Senderechte ab: So ist nach französischem Recht ein Produzent nur dann unabhängig, wenn er die Senderechte dem abnehmenden Fernsehveranstalter für nicht mehr als vier Jahre überträgt (fünf Jahre, falls der Fernsehanstalter als Koproduzent beteiligt war).

Über die Umsetzung der Richtlinie hinaus fördern viele Mitgliedsstaaten bestimmte Fernsehprogramme. Gefördert werden dabei teils bestimmte Sprachen, bestimmte Inhalte oder bestimmte Produzenten. In zahlreichen Ländern bestehen Quoten zur Förderung der Landessprache, nach denen 25 bis 50 Prozent der Sendezeit Produktionen vorbehalten sein muss, die ursprünglich in der jeweiligen Landessprache produziert wurden. Die Niederlande fordern darüber hinaus, dass 25 Prozent der Sendezeit kulturellen Inhalten gewidmet werden muss, davon die Hälfte Kunstsendungen, und weitere 35 Prozent der Sendezeit für informierende oder erziehende Beiträge zur Verfügung stehen müssen. Andere Länder schreiben die finanzielle Förderung bestimmter Sendungen vor, Italien beispielsweise von Kinder-, Frankreich von Trickfilmproduktionen. In Großbritannien ist gesetzlich vorgeschrieben, dass ein bestimmter Anteil der Sendungen außerhalb Londons produziert werden muss.

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