USA: Streit über Anerkennung ausländischer Urteile in Urheberrechtsfragen
In den USA ist ein Streit darüber entstanden, ob US-amerikanische Gerichte in Zukunft ausländische Urteile in Urheberrechtsfragen anerkennen sollen. Bei einer Anhörung des US-Copyright Office am 15.4.2001 in Washington zeigten sich Industrievertreter uneins darüber, ob die Vereinigten Staaten auf internationaler Ebene einer entsprechenden Regelung in der Haager Konvention über Rechtsprechung und ausländische Urteile in Zivil- und Handelssachen zustimmen sollen. Während die Verwertungsindustrie eine entsprechende Anerkennung ausländischer Urteile befürwortete, lehnte die Telekommunikationsbranche dies ab. Bedenken gegen das Abkommen äußerten in Washington auch Programmierer und Bürgerrechtsorganisationen.
US-amerikanische Telekommunikationsunternehmen und Internet-Provider äußerten die Befürchtung, bei Verabschiedung der Konvention in Zukunft im Ausland wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt zu werden. Die Rechteinhaber würden sich dabei jeweils das Land mit der für sie günstigsten Rechtslage auswählen und anschließend aus den so erlangten Urteilen in den Vereinigten Staaten vollstrecken. Vor allem Internet-Provider befürchten außerdem, in Zukunft den von ihnen durchgeleiteten Datenverkehr filtern zu müssen, wenn ein Internet-Anbieter im Ausland wegen Urheberrechtsverletzungen gesperrt würde. Entsprechende Maßnahmen wären mit erheblichem technischem und finanziellem Aufwand verbunden.
Die Befürworter einer Anerkennung ausländischer Urteile in Urheberrechtsfragen meinten dagegen, ein Mißbrauch des Abkommens durch Urheber sei nicht zu befürchten. Das Urheberrercht sei durch internationale Abkommen, darunter die Berner Konvention und TRIPS, bereits weitgehend harmonisiert. Eine gegenseitige Anerkennung von Gerichtsentscheidungen würde es den Urhebern endlich ermöglichen, weltweit gegen Verletzungen ihrer Rechte vorzugehen. Bisher sei der internationale Rechtsschutz nur lückenhaft, weil es einige Länder mit dem gerichtlichen Schutz der Urheberrechte nicht ernst genug nähmen. Die Verabschiedung der Haager Konvention sei im Zeitalter von millionenfacher Musik- und Filmpiraterie im Internet eine unumgängliche Notwendigkeit.
Bedenken äußerten auf der Anhörung auch Programmierer. Durch die Pläne in einigen Ländern, einen weitreichenden Patentschutz für Computersoftware einzuführen, liefen sie bei Verabschiedung des Abkommens in Gefahr, wegen Patentrechtsverletzungen verklagt zu werden. Die Verabschiedung der Haager Konvention sei möglicherweise das Ende der Open-Source-Bewegung. Wegen der restriktiveren Rechtslage in anderen Ländern zum Beispiel bei der Zulässigkeit des sogenannten Reverse Engineering werde die Arbeit US-amerikanischer Programmierer möglicherweise erheblich erschwert. In ein ähnliches Horn stießen in Washington Bürgerrechtsorganisationen, die darauf hinwiesen, dass etwa die Meinungsfreiheit in vielen europäischen Ländern nicht in dem Umfang gewährleistet sei wie in den USA.
Über die Haager Konvention über Rechtsprechung und ausländische Urteile in Zivil- und Handelssachen beraten die 49 Teilnehmerstaaten der Haager Konferenz zum internationalen Privatrecht bereits seit 1992. Ziel des Abkommens ist die gegenseitige Anerkennung und Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen in bestimmten Rechtsangelegenheiten. Ein abschließender Entwurf der Vereinbarung liegt bereits seit 1999 vor, wurde aber wegen Streits über wesentliche Punkte bisher nicht verabschiedet. Ob zum Beispiel auch Urteile in Fragen geistigen Eigentums, also in Urheber- und Patentrechtsfragen, erfasst werden sollen, ist noch offen. Für Juni 2001 ist eine Konferenz geplant, auf dem die Teilnehmerstaaten die strittigen Punkte nochmals diskutieren wollen.
Dokumente:
- Bekanntmachung des U. S. Copyright Office zur Anhörung am 14.5.2001
- Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters (Amended Preliminary Draft) vom 30.10.1999
- Berner Konvention von 1971 i. d. F. von 1979
Institutionen:
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