WM-Rechte: Ausstrahlung aller Spiele im frei empfangbaren Fernsehen erzwingen?
Nach der Ankündigung der Münchener Kirch-Gruppe, nur 25 der 64 Spiele der Fußball-WM 2002 in Südkorea im frei empfangbaren Fernsehen ("Free-TV") auszustrahlen, erwägen die Bundesländer eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrags (RfStV), um eine freie Übertragung aller Spiele der Fußball-WM 2006 in Deutschland sicherzustellen. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner (SPD) und die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis (SPD), sprachen sich für eine entsprechende Ergänzung des RfStV aus. Angeschlossen hat sich dieser Forderung der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurz Beck, der auch Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder ist. Die Vorsitzenden von ARD und ZDF, Fritz Pleitgen und Dieter Stolte, unterstützen den Vorschlag ebenfalls.
Höppner und Simonis begründeten ihren Vorstoß damit, die Möglichkeit einer Austragung einer Fußball-WM in Deutschland sei bei der Beratung des RfStV nicht bedacht worden. Bei einer Fußball-WM, die im eigenen Land stattfinde, sei jedes Spiel ein sportliches Großereignis, unabhängig von einer Beteiligung der deutschen Mannschaft. Beide Politiker verwiesen auch darauf, dass der WM-taugliche Umbau der deutschen Fußballstadien in großem Umfang von der öffentlichen Hand und damit vom Steuerzahler mitfinanziert werde.
Nach dem am 1.4.2000 in Kraft getretenen § 5a Abs. 1 des RfStV müssen "Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung (Großereignisse)" zumindest in einem frei empfangbaren und allgemein zugänglichen deutschen Fernsehprogramm ausgestrahlt werden. Als Großereignisse in diesem Sinn nennt § 5a Abs. 2 des RfStV bereits jetzt das Eröffnungs- und Endspiel, die Halbfinalspiele und alle Spiele mit deutscher Beteiligung bei Fußball-Weltmeisterschaften. Die europäische Richtlinie zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (EU-Fernsehrichtlinie) erklärt entsprechende mitgliedsstaatliche Regelungen in seinem § 3a seit dem 1997 ausdrücklich für zulässig.
Verhandlungen der Kirch-Gruppe mit ARD und ZDF über einen Verkauf der WM-Rechte 2002 und 2006 sind bereits Ende Februar 2001 gescheitert. Wenn der RfStV wie vorgeschlagen geändert würde, bliebe dem Münchener Medienunternehmen nur die Möglichkeit, die Fernsehrechte an frei empfangbare private Fernsehsender wie RTL oder SAT 1 zu verkaufen. Eine Übertragung im Bezahlfernsehen ("Pay TV"), z. B. Kirchs Sender Premiere World, wäre dagegen nicht möglich. Nach einem Bericht der Welt vom 1.3.2001 hat die Kirch-Gruppe bereits angekündigt, in diesem Fall den Rechtsweg zu beschreiten. Einen entsprechenden Eingriff in ihre Eigentumsrechte müsse sie nicht entschädigungslos hinnehmen.
Die Kirch-Gruppe hatte die Fernsehrechte für die Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2006 bereits 1996 für 1,7 Milliarden DM von der Weltfußballvereinigiung (FIFA) erworben. Im Jahr 1997 wurde durch Änderung der EU-Fernsehrichtlinie erstmals das Recht der EU-Mitgliedsstaaten anerkannt, für nationale Großereignisse die Übertragung im frei empfangbaren Fernsehen vorzuschreiben. Von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben die Bundesländer durch den 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (4. RfÄndStV) vom Mai 1999.
Dokumente:
- Rundfunkstaatsvertrag (RfStV) vom 31.8.1991 i. d. F. des 5. RfÄndStV vom 6.6.2000, konsolidierte Fassung
- 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (4. RfÄndStV) vom Mai 1999
- EU-Fernsehrichtlinie vom 3.10.1989 (89/552/EWG), konsolidierte Fassung
- EU-Fernsehrichtlinie vom 3.10.1989 (89/552/EWG), nichtkonsolidierte Fassung
- EU-Fernsehänderungsrichtlinie vom 30.6.1997 (97/36/EG)
Institutionen:
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