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Kurzbericht über die Anhörung zu § 52a UrhG-E am 15. Oktober 2002

In seiner Begrüßung wies Ministerialdirektor Dr. Elmar Hucko darauf hin, daß die Fachebene derzeit »kopflos« sei. Sobald dieser Zustand beendet sei, solle der Entwurf eine der ersten Vorlagen werden.

Der angestrebte Zeitplan sehe folgendermaßen aus:

  • Die erste Lesung des Bundestages finde voraussichtlich Mitte November statt
  • Dann sei eine nochmalige Anhörung wahrscheinlich
  • Beratung im Bundestag noch vor Weihnachten
  • Im Bundesrat voraussichtlich im Februar
  • Inkrafttreten eventuell 1. März

Gründe für eine eigene Anhörung zu § 52a UrhG-E seien die Umstände, daß es sich um etwas »Neues« im Spannungsverhältnis zwischen »Urheber« und »Wissenschaft« handle und eine ausführliche Stellungnahme des Bundesrates zu diesem Paragraphen vorliege.

Ministerialdirektor Dr. Elmar Hucko schlug als Vorgehen in der Anhörung eine erste Runde der »Kritiker« und sodann eine zweite Runde der »Befürworter« vor. Des weiteren bat er um eine Herausarbeitung der Kernpunkte der Stellungnahmen.

»Die Kritiker«

Dr. Sprang vom Börsenverein beschränkte sich zunächst angesichts der eigens vertreten Schulbuchverlage auf § 52a Abs. 1 Nr. 2 des Entwurfs. Die Vorschrift sei verzichtbar, wie auch Stellungnahme von Prof. Dr. Melichar gezeigt habe. An Schulen und Unis werde überwiegend Material kopiert, das für diesen Markt hergestellt wird. Über die vorgesehene Regelung werde der »Primärmarkt« kollektiviert und in die Hände der Verwertungsgesellschaften gegeben. Allenfalls sei alternativ eine Zwangslizenz denkbar. Faktisch liefe die Vorschrift in der vorgelegten Form auf eine Enteignung der Berechtigten hinaus.

Dr. Haupt (IANB) wies auf die Widerspruch zu dem Grundgedanken des Urhebervertragsrechts (Gedanke der Partizipation des Urhebers) hin. Nun aber stehe die Einführung neuer Schranken bevor. Er schlug vor, die Vorschrift am Maßstab der Dreistufenregelung der RBÜ zu testen Weiter forderte er die Streichung des § 52a, insbesondere seines Abs. 3. Lehrer dächten sonst, sie könnten Filme mangels Öffentlichkeiet in der Schule vorführen.

Dr. Hackenberg vom Katholisches Filmwerk wies darauf hin, daß ein kommerzieller Absatz von Lernmitteln wird erheblich beschnitten, à la longue unmöglich gemacht werde.

Wolfgang von Bernuth (VdS Bildungsmedien) beurteilte die Fassung des § 52a als Angriff auf den Schulbuch-/Unterrichtsmittelprimärmarkt (unter Verweis auf die Stellungnahme von Prof. Dr. Melichar. Eine sinnvolle Einschränkungen der Formulierung bzw. ein Kompromisvorschlag sei aufgrund der immensen Abgrenzungsschwierigkeitnichten möglich.

Dr. Thorsten Braun vom »Forum der Rechteinhaber« griff den Aspekt der Vergütungspflicht heraus. Die Vervielfältigung erfolge mit Geräten, die der Vergütungspflicht bereits unterlägen.

Prof. Dr. Mathias Schwarz (film20 und weitere Verbände der Filmwirtschaft) wies auf Wertungswidersprüche zwischen § 52a und § 53 hin. Dies treffe speziell für Bewegtbilder und Tonbilder zu. Ein »bestimmt abgegrenzter Personenkreis« sei bspw. im Fernstudium schwer zu fassen. In der Schule könne unter einem Unterrichtsthema wie »Filmkunde« jeder Film vorgeführt werden. Der Film »Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit« [ http://german.imdb.com/Title?0157990 ] eigne sich ebenso für den Biologieunterricht wie für die Sozialkunde. Des weiteren seien Schule und Universitäten nicht dafür bekannt, daß hohe Schwellen zur Anfertigung rechtswidriger Kopien bestünden. Es habe in den bisherigen Stellungnahmen auch nicht dargelegt werden können, daß der Unterricht ohne § 52a verhindert oder beschränkt werde.

Frau Susanne Schopf (BITKOM) hielt § 52a für nicht notwendig und auch zu weit gefaßt. Alle Anbieter von Inhalten auf digitalem Weg seien betroffen. Eine Alternative stelle die individuelle Lizenzierung dar. Sie forderte den Einsatz technischer Maßnahmen zur Sicherung des abgegrenzten Persionenkreises, die Information des Rechteinhabers sowie ein Widerspruchsrechts.

Dr. Günther Poll vertrat die Position, die Einführung bzw. Ausdehniung einer Schranke sei mit Erwägungsgrund 44 der RiLi nicht vereinbar. Der Dreistufentest komme hier zwingend zur Anwendung.

»Die Befürworter«

Dr. Gabriele Beger (Bundesvereinigung deutscher Bibliotheksverbände, Deutscher Bibliotheksverband und weitere) entgegnete mit einer Empfehlung an die Kritiker der Fassung des Regierungsentwurfs, nochmals eine Blick in Art. 5 Abs. 3 Nr. 1 der RiLi zu werfen. § 52a stehe mit dem Dreistufentest in Einklang. Im Unterricht sei eine Heranführung an neue Technologien ohne vorherige Lizenzverhandlungen unabdingbar. Für die Forschung seien vorherige Einzellizenzen, wie vorgeschlagen, hinderlich. Frau Dr. Beger zeigte sich »erschrocken« über die Juristische Hintergründe, insbesondere die sog. »Melichar-Stellungnahme«, in der Prof. Melichar § 52a für überflüssig erklärt habe. Er lasse jedoch außer Acht, daß es zuvor auch keinen § 19 gegeben habe.

Herr Benz (Unterausschuß der Kultusministerkonferenz) kündigte die Befassung mit der Novelle für Anfang November an. Rheinlandpfalz, Baden-Württemberg und andere Bundesländer hätten sich im übrigen um eine Benutzerverwaltung an den Schulen bemüht.

Dr. Beger ergänzte, daß § 52a ohnehin nicht greife, wenn ein Vertragsverhältnis bestehe.

Dr. Till Kreuzer (ifrOSS) erachtete § 52a als ein notwendiges Equivalent zu § 19.

Herr Benz vertrat die Auffassungs, daß der kostenfreie Zugang zu Hoeren, Internetrecht über das Internet [ http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/lehrematerialien.htm ] die Ausnahme darstelle. Der Bundesrat male schwarz, wenn er davon ausgehe, daß ganze Werke kopiert würden.

Dr. Sprang meinte, es sei in der Diskussion doch einiges durcheinander gekommen. Frau Dr. Beger liege nicht richtig mit ihrer Interpretation des § 95b. Die Ausnahme in Abs. 3 gelte nur für geschützte Online-Produkte. Die EU habe diese Schranke nicht obligatorisch vorgesehen. Der Erwägungsgrund 44 der Richtlinie stelle eine Aufforderung an die Mitgliedsländer dar, zu überlegen, ob die Schranken enger gezogen werden müßten. Der Grund für das Urheberrecht sei die Überlegung, daß Investitionen sich sich lohnen müßten.

Dr. Pfenning von der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst vertrat die Auffassung, ein Betrag von z.Zt. 4,5 Mio. stelle bei weitem keine Kompensation des tatsächlichen Kopierens dar. Es bestehe kein Rechtsbewußtsein im Schulumfeld (Bsp. einer nicht lizensierten Bilddatenbank mit Werken von Paul Klee an einer Paul Klee-Schule). Die Vergütungspflicht müsse auch für die Schulen gelten. Andernfalls laufe die Formulierung auf eine Verlagerung des Geldmangels der Schulen auf die Urheber hinaus.

Herr Hohagen vom MPI für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht erinnerte daran, daß das UrhG nicht nur dem Schutz des Urhebers, sondern dem vernünftigen Ausgleich der beteiligten Interessen diene. Eine fehlende Beschränkung auf bestimmte Teile scheitere an der zweiten Stufe des Dreistufentests. Er forderte daher eine tatbestandliche Beschränkung auf Teile eines Werkes oder kleine Werke. Der Begriff des Unterrichts sei unklar. Sei nur Schuleunterricht oder auch die Lehre an der Universität bzw. Fernunterricht davon erfaßt? Nach der Rechtsprechung des BVerfG zu Kirchen- und Schulgebrauch sei ein gesteigertes Gemeinwohlinteresse erforderlich. Daher sei ein Vergütungsanspruch zwingend erforderlich.

Dr. Grewenig (VPRT) ergänzt, die Umgehungsmöglichkeiten seien zahlreich und groß, insb. bei ganzen Werken.

Dr. Sprang hielt den »luciden Äußerungen des Kollegen vom MPI« entgegen, daß die Gebotenheit nicht kontrollierbar sei.

Herr Schimmel von »ver.di« vertat die Position, daß eine Vergütungsfreiheit im Rahmen von § 52a nicht in Betracht komme. Die Formulierung sei zu unbestimmt. Es müsse ausgeschlossen sein, daß speziell für den Schulgebrauch produzierte Medien in Schulnetze eingespeichert würden.

Dr. Beger erwiderte, dies laufe auf eine Abschaffung des Online-Zugangs an den Bibliotheken hinaus.

Andreas Behr (VdS Bildungsmedien) legte dar, daß es noch ca. 70 Schulbuchverlage gebe. Aufgrund der sinkenden Etats der Schulen sowie der hohen Kosten der Produktion neuer Medien komme digitale Unterrichtssoftware überhaupt nicht mehr zur Entwicklung.

Auf Nachfrage von Ministerialdirektor Dr. Elmar Hucko erläuterte Herr Behr, daß die Anzahl der Schlubuchverlage nach dem Krieg noch 200, in den 70-er Jahren nur noch 120-140 betragen habe.

Ministerialdirektor Dr. Elmar Hucko räumte ein, daß die Regelung der Gebührenfreiheit in § 52a des Entwurfes wohl doch über das Ziel hinausgeschossen sei.

Herr Schultis (ifrOSS) stellte den Schutz der Primärmärkte außer Frage. Investitionen müßten sich lohnen. Er kritisierte aber den Versuch des Schutzes bestehender Vertriebswege über das Urheberrecht. Es würden zu ihrer Rechtfertigung Horrorscenarien an die Wand gemalt.

Dr. Sprang erwiderte, es gehe nicht um die Vertriebswege, sondern um teilweise »extrem kleine Märkte« (Nanotechnologie), die nicht künstlich abgegriffen werden sollen.

Dr. Poll legte eine Differenzierung nach Werkkategorien nahe. Filmwerke seien in § 53 Abs. 3 ausgenommen, diese Differenzierung vermisse er in § 52a. Die Gefahren für die Filmindustrie gingen über diejenigen für den Printbereich hinaus. Die Kombination aus § 53 und § 52a gefährde die deutsche Filmindustrie.

Dr. Beger macht darauf aufmerksam, daß die Käufer der deutschen Verlagsproduktion zu 80 % die Bibliotheken seien, die Autoren Wissenschaftler und Forscher.

Ministerialdirigent Dr. Hucko schloß die Anhörung mit dem Resumé, man habe viel gelernt, es sei jedoch leider kein Kompromiss in Sicht. Ebenso sei man sich bewußt, daß noch etwas bewegt werden müsse -- dies sei im »hearing« plastischer geworden, als durch die schriftlichen Stellungnahmen allein.

21. Oktober 2002