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Begründung zum Medienstaatsvertrag

 

A. Allgemeines

 

Durch Artikel 1 und 2 des Staatsvertrages wird der bisherige Rundfunkstaatsvertrag durch einen Medienstaatsvertrag ersetzt. Hierdurch werden neben der Umsetzung der AVMD-Richtlinie die Medienordnung in Deutschland mit dem Ziel der Pluralismussicherung und -förderung fortentwickelt und bestehende Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern umgesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben die Länder als Rundfunk- und Mediengesetzgeber die Aufgabe, eine „positive Ordnung“ auszugestalten, die publizistische Vielfalt schützt und fördert. Die Notwendigkeit einer solchen Ordnung ist mit der fortschreitenden Digitalisierung und den damit verbundenen Möglichkeiten keineswegs entfallen – das Gegenteil ist der Fall. Das Bundesverfassungsgericht betont: „Die Digitalisierung der Medien und insbesondere die Netz- und Plattformökonomie des Internet einschließlich der sozialen Netzwerke begünstigen […] Konzentrations- und Monopolisierungstendenzen bei Anbietern, Verbreitern und Vermittlern von Inhalten. Sind Angebote zum größten Teil werbefinanziert, fördern sie den publizistischen Wettbewerb nicht unbedingt; auch im Internet können die für die Werbewirtschaft interessanten größeren Reichweiten nur mit den massenattraktiven Programmen erreicht werden. Hinzu kommt die Gefahr, dass – auch mit Hilfe von Algorithmen – Inhalte gezielt auf Interessen und Neigungen der Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten werden, was wiederum zur Verstärkung gleichgerichteter Meinungen führt. Solche Angebote sind nicht auf Meinungsvielfalt gerichtet, sondern werden durch einseitige Interessen oder die wirtschaftliche Rationalität eines Geschäftsmodells bestimmt, nämlich die Verweildauer der Nutzer auf den Seiten möglichst zu maximieren und dadurch den Werbewert der Plattform für die Kunden zu erhöhen. Insoweit sind auch Ergebnisse in Suchmaschinen vorgefiltert und teils werbefinanziert, teils von ‚Klickzahlen‘ abhängig. Zudem treten verstärkt nicht-publizistische Anbieter ohne journalistische Zwischenaufbereitung auf.“ (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 -, Rn. 79). Auch im Kontext der Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 hat das Bundesverfassungsgericht die besondere Bedeutung vor allem großer sozialer Medien für die öffentliche Meinungsbildung noch einmal ausdrücklich hervorgehoben (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2019 - 1 BvQ 42/19 -, Rn. 19).

Vor diesem Hintergrund führt der Medienstaatsvertrag zur Sicherung des Pluralismus erstmals umfassende medienspezifische Vorgaben für solche Anbieter ein, die Medieninhalte vermitteln bzw. deren Verbreitung dienen – sog. Gatekeeper (z.B. Suchmaschinen, Smart-TVs, Sprachassistenten, App-Stores, soziale Medien). Diese Dienste werden als Medienplattformen, Benutzeroberflächen oder Medienintermediäre erfasst. Mit Blick auf die Voraussetzungen einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung werden zudem für den Bereich politischer Werbung und für soziale Medien bestehende Transparenzvorgaben ausgeweitet und neue eingeführt. Besonders meinungsrelevante Telemedien, die regelmäßig Nachrichten oder politische Informationen zum Inhalt haben, werden auf die Einhaltung journalistischer Standards verpflichtet.

Die Überführung des Rundfunkstaatsvertrages in einen Medienstaatsvertrag haben die Länder darüber hinaus zum Anlass genommen, eine strukturelle Neugliederung des Staatsvertrages vorzunehmen. Die bislang den Regelungen für den Rundfunk und die Rundfunkaufsicht angefügten Abschnitte zu Plattformen, Übertragungskapazitäten und Telemedien werden in eine durchgängig zwischen allgemeinen und besonderen Bestimmungen unterscheidende Struktur überführt. Der II. Abschnitt enthält nunmehr jeweils allgemeine Bestimmungen für Rundfunk (1. Unterabschnitt) sowie für Telemedien (2. Unterabschnitt). Durch diese Struktur wird sichergestellt, dass alle im Medienstaatsvertrag geregelten Angebote entweder dem Rundfunk oder den Telemedien zugeordnet werden können und klargestellt, welche der bislang vor allem in den §§ 54 ff. des Rundfunkstaatsvertrages geregelten Bestimmungen grundsätzlich für alle Arten von Telemedien gelten und welche nur für besondere Telemedien. Nach dem allgemeinen Grundsatz des Vorrangs des spezielleren Rechts („lex specialis derogat legi generali“) gehen die besonderen Bestimmungen der Abschnitte III. bis V. den allgemeinen Regelungen im Kollisionsfall vor. Während die §§ 17 ff. sowie die §§ 74 ff. vor allem Verpflichtungen für Telemedien in eigener redaktioneller Verantwortung zum Gegenstand haben, adressieren die Bestimmungen der §§ 78 ff. sowie der §§ 91 ff. spezifisch die besondere Stellung und Funktion solcher Telemedien, über die (auch) Inhalte Dritter vermittelt werden. Die im III. Abschnitt enthaltenen besonderen Bestimmungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bündeln wie bereits nach dem Rundfunkstaatsvertrag die Vorgaben für öffentlichrechtliche Rundfunkprogramme sowie für öffentlich-rechtliche Telemedien an einem Regelungsstandort.

Die Neugliederung ermöglicht es zudem, bislang an unterschiedlichen Stellen enthaltene Regelungen zur Medienaufsicht in einem neuen VII. Abschnitt zusammenzuführen und diese zu vereinheitlichen.

Neben den nachfolgend erläuterten Neuregelungen und Anpassungen werden verschiedene Regelungen und Teilbereiche des Rundfunkstaatsvertrages im neuen Medienstaatsvertrag inhaltlich unverändert fortgeführt. Soweit nicht anders vermerkt, sind damit keine Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage verbunden.

 

 

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