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Begründung zum Achtzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 9. bis 28. September 2015 (Achtzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

 

A. Allgemeines

Zielsetzung

Der Staatsvertrag dient für öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk gleichermaßen der Klarstellung, dass in bundesweit verbreiteten Programmen regionenspezifische Werbung nur zulässig ist, soweit das jeweilige Landesrecht dies gestattet.

Im Rahmen der technischen Fortentwicklung bei der Übertragung von Rundfunkprogrammen besteht die Möglichkeit, bundesweit verbreitete Rundfunkprogramme zeitweise regional (dies betrifft lokale, regionale und landesweite Angebote) auseinander zu schalten, sodass einzelne Programminhalte, wie Werbung, ausschließlich regionenspezifisch verbreitet werden können. Durch lediglich regional ausgestrahlte Werbung können Produkte und Dienstleistungen gezielt in den betreffenden Vertriebs- oder vom Werbekunden angesprochenen Zielregionen beworben werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17. Dezember 2014 (6 C 32/13) entschieden, dass nach bisheriger Rechtslage in Ermangelung eines konkreten Verbotes im Rundfunkstaatsvertrag regionenspezifische Werbung grundsätzlich gestattet ist und keiner gesonderten Zulassung bedarf.

Eine Regionalisierung der Werbung in Programmen, die für die bundesweite Verbreitung bestimmt sind, würde jedoch die bisherige Lizenzierungssystematik, die zwischen lokalen, regionalen und bundesweiten Programmen unterscheidet, aushebeln. Rundfunkprogramme dienen der Meinungsvielfalt auf lokaler, regionaler oder bundesweiter Ebene. Sie haben insofern die Vielfalt an Themen, Meinungen und gesellschaftlichen Perspektiven in ihrem jeweiligen Sendegebiet widerzuspiegeln.

Damit einher geht in der Praxis eine Verbindung von redaktionellen Inhalten mit kommerziellen Programmbestandteilen, die zur Finanzierung des Programms erforderlich sind.

Mit diesem Staatsvertrag wird nunmehr ausgeschlossen, dass bundesweite Veranstalter ohne Weiteres Zugriff auf regionale Werbemärkte haben, die zur Refinanzierung lokaler bzw. regionaler Medien und damit zur Sicherung der Vielfalt in diesen begrenzten geografischen Räumen erforderlich sind. Diese Werbemärkte sollen grundsätzlich denjenigen als potentielle Einnahmequelle vorbehalten bleiben, die einen Beitrag zur Vielfalt in diesem Raum leisten.

Soweit diese Begrenzung regionenspezifischer Werbung einen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit privater Veranstalter darstellt, die die Finanzierung von Programmen durch Werbung umfasst, ist dieser durch das Erfordernis des Schutzes der regionalen Meinungsvielfalt gerechtfertigt.

Der Gesetzgeber hat neben seiner allgemeinen Pflicht zur Ausgestaltung der Rundfunkordnung und zur Sicherung der Vielfalt im Rundfunk Regelungen zu schaffen, die auch im Fall einer Gefährdung der Meinungsvielfalt durch Werbung eingreifen. Die finanzielle Sicherung gerade lokaler und regionaler Programme ist Bestandteil ihres Schutzes durch die Rundfunkfreiheit. Der Gesetzgeber hat dabei Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen nicht erheblich erschweren oder unmöglich machen.

Es besteht die Gefahr, dass Werbekunden von regionalen Rundfunkveranstaltern und Verlegern in nicht unerheblichem Umfang zu den bundesweit agierenden Rundfunkveranstaltern abwandern, was sowohl unmittelbar als auch mittelbar Einfluss auf die Refinanzierung und damit verbunden auch auf die journalistische Qualität der Beiträge regionaler Verleger und Rundfunkveranstalter hätte. In der Folge besteht zum einen die Gefahr einer Verdrängung regionaler und lokaler Veranstalter und Verleger vom Markt und damit einhergehend die Gefahr einer Konzentration publizistischer Macht bei einigen wenigen (bundesweit agierenden) Veranstaltern. Die Abbildung von in der Gesellschaft verfügbaren Informationen, Meinungen und Werten wäre hierdurch eingeschränkt, was zu einem Verlust an regionaler Medien- und Meinungsvielfalt und an einem umfassenden und vielseitigen Angebot führen kann.

Artikel 1 zielt auf die Sicherstellung einer möglichst breiten und vollständigen Meinungsvielfalt ab. Einer Gefährdung regionaler und lokaler Meinungsvielfalt aus finanziellen Gründen soll entgegen gewirkt werden, wobei bereits die Möglichkeit einer Gefährdung ausschlaggebend ist. Anhaltspunkte für eine solche ergeben sich aus den Wirtschafts- und Entwicklungsdaten der nicht bundesweiten Medienangebote auf einem konvergierenden Medienmarkt.

Die Begrenzung regionenspezifischer Werbung bzw. umgekehrt die damit bewirkte Bindung an einen Beitrag zur regionalen Vielfalt, dient der Refinanzierung lokaler und regionaler Medien, damit dem Schutz lokaler und regionaler Rundfunkveranstalter ebenso wie dem Schutz der örtlichen und regionalen Presse und damit schließlich der regionalen Medienvielfalt insgesamt. Im Rahmen des bestehenden weiten Gestaltungsspielraumes des Staatsvertragsgebers werden durch die Regelung im Hinblick auf die Ausgestaltung und Gewährleistung der grundgesetzlich garantierten Rundfunkfreiheit sowohl die schutzwürdigen Interessen der Rundfunknutzer an einem vielfältigen Programmangebot, der bundesweit zugelassenen Rundfunkveranstalter an einer Fortentwicklung ihrer Geschäftsmodelle und der regionalen und lokalen Verleger und Rundfunkveranstalter an einer ausreichenden Sicherung ihrer Finanzierungsgrundlagen angemessen berücksichtigt.

Es ist die Möglichkeit geschaffen, die Verbreitung regionenspezifischer Werbung in bundesweit ausgestrahlten Programmen länderindividuell zu regeln. Die Bestimmung schafft ein grundsätzliches Verbot mit einer Öffnungsklausel für landesrechtliche Erlaubnisse. Sie gestattet den Ländern damit, die regionenspezifische Werbung für ihren Hoheitsbereich in bundesweit zugelassenen Programmen zuzulassen und sie – unter Beachtung der Rundfunkfreiheit – von Bedingungen, z.B. der Verbreitung redaktioneller regionaler Inhalte, abhängig zu machen. Auf diese Weise kann ein Ausgleich gegenläufiger Interessen auf regionaler Ebene unter Berücksichtigung jeweiliger regionaler Gegebenheiten und Besonderheiten stattfinden, wodurch Eingriffe in Rechtspositionen minimiert werden können.

Die überwiegenden schutzwürdigen Interessen der Medien- und Meinungsvielfalt sowie regionaler Verleger und Rundfunkveranstalter erfordern die getroffenen Regelungen, zumal es auch nicht ohne Weiteres umkehrbare Fehlentwicklungen bei lokaler und regionaler Meinungsvielfalt zu verhindern gilt.

 

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