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Begründung zum Neunzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 3. Dezember 2015 (Neunzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

 

A. Allgemeines

Zielsetzungen

Durch Artikel 1 wird der Rundfunkstaatsvertrag geändert. Die Änderungen umfassen zum einen die für die umsatzsteuerrechtliche Bewertung relevante Klarstellung, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Erfüllung ihres Auftrages zusammenarbeiten und dass sie die Zusammenarbeit in öffentlich-rechtlichen Verträgen regeln können. Zum anderen betreffen die Änderungen die Reform der Fernsehspartenprogrammstruktur von den in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten (ARD) und des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) sowie redaktionelle Anpassungen an die Programmnamen der Fernsehspartenprogramme in § 11b des Rundfunkstaatsvertrages. Zugunsten einer Beauftragung eines onlinebasierten Jugendangebots entfallen zudem die Fernsehspartenprogramme „ZDFkulturkanal“ und „EinsPlus“.

Hinsichtlich des Jugendangebots fassten die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in ihrer Jahreskonferenz vom 15. bis 17. Oktober 2014 den Beschluss „Jugendangebot und Spartenkanäle ARD/ZDF“. Sie beschlossen, ARD und ZDF mit einem gemeinsamen Jugendangebot im Onlinebereich zu beauftragen. Zur Umsetzung dieses Beschlusses nahm die Rundfunkkommission auf Ebene der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder am 17. Juni 2015 das Angebotskonzept der ARD und des ZDF sowie die begleitenden Beschlüsse des Rundfunkrats des Südwestrundfunks (SWR) und des Fernsehrats des ZDF sowie den Entwurf des § 11g des Rundfunkstaatsvertrages einschließlich des Entwurfs einer Anlage zu § 11g Abs. 5 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrages („Negativliste“) zur Kenntnis. Die Rundfunkkommission erteilte den Auftrag, hierzu ein offenes Konsultationsverfahren durchzuführen. Im Rahmen des offenen Konsultationsverfahrens wogen die Länder die voraussichtlichen Marktauswirkungen des neuen Jugendangebots mit dem Wert des Jugendangebots für die Gesellschaft ab. Dabei bezogen sie insgesamt 42 schriftliche Stellungnahmen in den Abwägungsprozess ein und führten ein Fachgespräch durch, an dem Verbände privater Medienanbieter und Vertreter von ARD und ZDF teilnahmen. Ferner berücksichtigten die Länder ein von ARD und ZDF beauftragtes wissenschaftliches Gutachten zu den voraussichtlichen Marktauswirkungen des Jugendangebots, das zu dem Ergebnis kam, dass nur geringe Auswirkungen für private Medienanbieter zu erwarten seien. Vor diesem Hintergrund stellten die Länder in dem von ihnen veröffentlichten Abschlussbericht über das offene Konsultationsverfahren fest, dass das im Rahmen des offenen Konsultationsverfahrens bestätigte gesellschaftliche Bedürfnis überwiegt. Die staatsvertragliche Beauftragung wurde bei der Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 7. bis 9. Oktober 2015 beschlossen. Der neue § 11g Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrages beauftragt daher die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF mit einem gemeinsamen Jugendangebot für die Zielgruppe junger Menschen. Inhaltliche Elemente des Jugendangebots sind Rundfunk und Telemedien im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages. Das Jugendangebot darf nur im Internet verbreitet werden. Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF werden mit einem neuen Medienangebot eigener Art beauftragt, das durch seine ausschließliche Verbreitung im Internet der fortgeschrittenen Konvergenz der Medien und den Nutzungsgewohnheiten junger Menschen entspricht. Es soll die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft – insbesondere der jungen Zielgruppe – erfüllen und damit einen Beitrag dazu leisten, dass das Gesamtangebot von ARD und ZDF zukünftig in größerem Umfang als derzeit generationenübergreifend genutzt wird. Durch die Beauftragung mit dem neuen Jugendangebot erfolgt keine Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Gesamtangebots, da zugleich zwei Fernsehspartenprogramme eingestellt werden. Im Rahmen der Entscheidung über die Beauftragung haben ARD und ZDF eine finanzielle Selbstverpflichtung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages abgegeben, die Aufwendungen für das Jugendangebot auf 45 Mio. € jährlich zu begrenzen.

Mit Artikel 4 werden einzelne Änderungen am Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorgenommen, der im Zuge des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages in seinen wesentlichen Bestimmungen zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist. Die grundlegende Struktur des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages bleibt unberührt. Mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wurde das Finanzierungssystem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch Aufgabe der geräteabhängigen Rundfunkgebühr und die Veranlagung mit dem neuen Rundfunkbeitrag nach Raumeinheiten im privaten Bereich und durch die Veranlagung nach Betriebsstätten, Beschäftigten und Kfz im nicht privaten Bereich auf eine neue Grundlage gestellt.

Mit der Reform der Rundfunkfinanzierung wurden verschiedene Ziele verknüpft. Neben der Etablierung eines zeitgemäßen Finanzierungssystems für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das der Konvergenz der Medien Rechnung trägt, sollten insbesondere auch die Rundfunkbeitragserträge der Rundfunkanstalten wie auch der Rundfunkbeitrag seiner Höhe nach stabilisiert und hierbei die bisherige sektorale Verteilung des Rundfunkbeitragsaufkommens auf private Haushalte, die Privatwirtschaft und die öffentliche Hand beibehalten werden. Diese Erwartungshaltung wurde in einer Protokollerklärung aller Länder zum Ausdruck gebracht, wobei insbesondere in Bezug auf die finanziellen Auswirkungen des Modellwechsels eine Evaluierung des Rundfunkbeitrags unter Mitwirkung einer unabhängigen Stelle vereinbart wurde.

Auf Grundlage der Protokollerklärung haben die Länder ein Consulting-Unternehmen mit der externen Begleitung des Evaluationsprozesses beauftragt und mit ihm gemeinsam ein Evaluierungskonzept erarbeitet. Im Rahmen des Evaluierungsprozesses wurden unter anderem die über den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio verfügbaren Daten ausgewertet und die Ertragsprognosen der Anstalten unter Berücksichtigung des Erhebungsverfahrens auf ihre statistische Zuverlässigkeit und Plausibilität überprüft. Gegenstand des Evaluierungskonzepts war hierbei auch die Frage eines aussagekräftigen Vorher-Nachher-Vergleichs in Bezug auf einzelne Beitragszahlergruppen. In die Evaluation wurden auch datenschutzrechtliche Aspekte einbezogen. Nach ersten Gesprächen zwischen den Rundfunkanstalten und den Landesbeauftragten für den Datenschutz im Nachgang zur Verabschiedung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages, in die auch Vertreter der Länder mit einbezogen waren und in denen wesentliche Konkretisierungen der staatsvertraglichen Datenschutzvorgaben in den Rundfunkbeitragssatzungen der Rundfunkanstalten erreicht werden konnten, haben die Länder im Rahmen der Evaluierung weitere Gespräche zu den datenschutzrechtlichen Belangen mit den Landesbeauftragten für den Datenschutz und den Rundfunkdatenschutzbeauftragten der Anstalten geführt.

Die Ergebnisse der Evaluierung haben das Rundfunkbeitragssystem sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch mit Blick auf die festgestellten wirtschaftlichen Auswirkungen im Wesentlichen bestätigt. Die mit Artikel 4 vorgenommenen Änderungen beschränken sich daher vornehmlich auf kleinere Nachjustierungen. Hierzu haben die Länder sowohl eine Online-Konsultation mit der Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme durchgeführt als auch eine mündliche Anhörung unter Einbindung der Kommunal- und Wirtschaftsverbände, der Rundfunkanstalten sowie der Landesbeauftragten für den Datenschutz.

Zielsetzung der Änderungen ist es insbesondere, das Verfahren einfacher zu gestalten, bürokratische Hürden abzubauen und das datenschutzrechtliche Niveau im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag anzuheben. Im Sinne einer Kontinuität in der Beitragsbelastung werden zudem Betriebsstätten mit zahlreichen Teilzeitbeschäftigten sowie gemeinnützige Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen entlastet. Darüber hinaus wird mit der Verankerung eines nochmaligen Meldedatenabgleichs die notwendige Datengrundlage geschaffen, auf der über die Wirksamkeit des Meldedatenabgleichs zur Erreichung auch langfristiger Beitragsgerechtigkeit entschieden werden kann.

Die Änderungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages in Artikel 5 dienen dazu, das System des Jugendmedienschutzes an die Entwicklungen der Medienkonvergenz und das damit einhergehende veränderte Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen anzupassen. Hierbei wurden im Laufe des Novellierungsprozesses drei begleitende Online-Konsultationen durchgeführt, um einen breiten gesellschaftlichen Diskurs zu ermöglichen. Die Ergebnisse der Online-Konsultationen wurden im jeweiligen Stadium des Novellierungsprozesses umfassend ausgewertet und fanden in mehreren Punkten Eingang in das Gesetzgebungsverfahren.

Die Novellierung übernimmt die Altersstufen des Jugendschutzgesetzes auch für Rundfunk und Telemedien. Dies schafft die Grundlage für einheitliche, alle elektronischen Medien umfassende Alterskennzeichnungen. Die Möglichkeiten von Anbietern von entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten, die jugendschutzrechtlichen Vorgaben zu erfüllen, bleiben unverändert. Hierzu gehört die Option, dass der Anbieter sein Angebot freiwillig mit einem Alterskennzeichen versieht, das von einem geeigneten Jugendschutzprogramm ausgelesen werden kann. Die Alterskennzeichnung von Angeboten kann durch den Anbieter selbst oder durch eine anerkannte Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle bzw. mit Hilfe eines von dieser angebotenen Selbstklassifizierungssystems erfolgen. Neben der freiwilligen Alterskennzeichnung hat der Anbieter unverändert weitere Möglichkeiten, seiner Schutzpflicht in Bezug auf entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte nachzukommen, zu denen andere technische Mittel oder Zeitbeschränkungen gehören.

Anbieter, die ihr Angebot freiwillig mit einer Alterskennzeichnung versehen, werden durch die Neuregelungen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten privilegiert. Die weitergehenden Privilegierungen, die den Anbietern bei Einbeziehung einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle zugutekommen, bleiben erhalten.

Durch die gegenseitige Anerkennung von Alterskennzeichnungen im Online- und Offline-Bereich wird der Medienkonvergenz Rechnung getragen.

Zudem nimmt die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten Rundfunk- und Pressefreiheit eine Beweislastumkehr zugunsten journalistischer Berichterstattung vor.

Die Anforderungen an Jugendschutzprogramme werden präzisiert. Hierbei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die staatsvertraglichen Anforderungen hinreichend entwicklungsoffen sein müssen, um die Programme an den jeweiligen technischen Stand anpassen zu können. Konkretisiert werden können diese Anforderungen durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), womit einerseits ein hoher Standard gewährleistet werden kann und andererseits ein hinreichend flexibles Instrument zur Verfügung steht, um mit der technischen Entwicklung Schritt halten zu können. Erziehungsberechtigte können zum Schutz ihrer Kinder vor nicht altersgerechten Angeboten ein solches Jugendschutzprogramm installieren und aktivieren. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag setzt in diesem Zusammenhang auf nutzerautonome – von Erziehungsberechtigten einzusetzende – Lösungen und zeigt diesen damit einen Weg auf, wie sie Verantwortung für ihre Kinder auch im Netz wahrnehmen können.

Die Verknüpfung des Systems des technischen Jugendmedienschutzes mit dem auch auf europäischer Ebene immer mehr Unterstützung gewinnenden Gedanken der regulierten Selbstregulierung ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Dabei soll die Beurteilung eines Jugendschutzprogrammes durch eine anerkannte Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages erfolgen. Die Selbstkontrolleinrichtung bekommt damit die Funktion einer Zertifizierungsstelle, die zu beurteilen hat, inwieweit das ihr vorgelegte Programm den Vorgaben dieses Staatsvertrages entspricht. Dieser Akt der Selbstregulierung unterliegt der Aufsicht durch die KJM. Ihr obliegt es, zu prüfen, ob die anerkannte Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle bei der Anerkennung von Jugendschutzprogrammen die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Damit handelt es sich auch bei der Anerkennung von Jugendschutzprogrammen um einen Prozess der regulierten Selbstregulierung, der auch bisher bereits mit Erfolg im System des Jugendmedienschutzes Anwendung findet.

Ein weiterer Aspekt der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ist die dauerhafte Sicherung der Finanzierung der 1997 der von den Jugendministerien der Länder gegründeten und organisatorisch an die KJM angebundenen länderübergreifenden Stelle für Jugendschutz „jugendschutz.net“. Diese hat sich als Stelle zur Kontrolle möglicher jugendschutzrelevanter Angebote im Internet bewährt.

Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag unterliegt bezüglich der jugendschutzrechtlichen Bestimmungen zu Telemedien der Notifizierungspflicht gemäß der Richtlinie 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft.

 

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