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Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode

Drucksache IV/270, 23.03.1962

Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz)

S. Beschluss des Rechtsausschusses zu dem Regierungsentwurf, Drucks. IV/3401

A. Einleitung

I. Gründe für die Reform und Gang der Reformarbeiten

Aufgabe des Urheberrechts ist es, den Schöpfer eines Werkes der Literatur, der Musik oder der bildenden Künste (Urheber) gegen eine unbefugte wirtschaftliche Auswertung seiner schöpferischen Leistung und gegen Verletzungen seiner ideellen Interessen am Werk zu schützen.

Das deutsche Urheberrecht beruht zur Zeit auf drei Gesetzen:

1. dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 - LUG - (RGBl., S. 227) in der Fassung der Gesetze vom 22. Mai 1910 (RGBl., S. 793) und vom 13. Dezember 1934 (RGBl., II S. 1395),

2. dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 - KUG - (RGBl.., S. 7) in der Fassung der Gesetze vom 22. Mai 1910, vom 13. Dezember 1934 und vom 12. Mai 1940 (RGBl., 1 S. 758) und

3. dem Gesetz über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901 - VerlG - (RGBl., S. 217) in der Fassung des Gesetzes vom 22. Mai 1910.

Abgesehen von dem Verlagsgesetz, das sich bis heute im wesentlichen bewährt hat, sind die geltenden Urheberrechtsgesetze veraltet. Ihre Reformbedürftigkeit wird allgemein anerkannt. Seit Erlaß der Gesetze haben sich eine Reihe bedeutender neuer Verwertungsmöglichkeiten für die Werke der Urheber ergeben, die vom Gesetzgeber nicht oder nur unvollkommen berücksichtigt sind. Dies gilt besonders für Film, Rundfunk und Fernsehen sowie für die modernen Vervielfältigungsverfahren der Tonbandaufnahme, der Fotokopie und der Mikrokopie. Die Rechtsprechung hat sich zwar bemüht, durch rechtsschöpferische Auslegung und Analogie den durch die neuen technischen Mittel aufgeworfenen Problemen gerecht zu werden. Hierbei sind der Rechtsprechung jedoch Schranken gesetzt. Es ist zudem bedenklich, wenn der geltende Rechtszustand sich immer weiter vom Wortlaut der Gesetze entfernt.

Eine Notwendigkeit, die geltenden Gesetze zu ändern, ergibt sich auch aus der internationalen Entwicklung auf dem Gebiet des Urheberrechts. Da ein Geisteswerk nach Verbreitung über die nationalen Grenzen hinweg strebt, sind schon früh internationale Verträge abgeschlossen worden, um die Urheber auch außerhalb der Grenzen ihres Heimatstaates zu schützen. Die wichtigste dieser Vereinbarungen ist die Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst, die seit ihrem Zustandekommen im Jahre 1886 etwa alle 20 Jahre ergänzt und geändert worden ist. Deutschland gehört der am 2. Juni 1928 in Rom revidierten Fassung an. Die letzte Revision der Berner Übereinkunft hat 1948 ohne deutsche Beteiligung in Brüssel stattgefunden. Hierbei sind neue oder erweiterte Rechte für den Urheber eingeführt worden, die zum Teil durch das geltende deutsche Urheberrecht nicht gewährt werden. Es ist ein verständlicher Wunsch der deutschen Urheber, daß Deutschland als Mitbegründer der Berner Übereinkunft möglichst bald dieser neuesten Fassung beitritt. Der Entwurf eines Beitrittsgesetzes zur Brüsseler Fassung wird gleichzeitig mit dem Entwurf des Urheberrechtsgesetzes vorgelegt. Für den Beitritt ist es erforderlich, die deutschen Gesetze entsprechend zu ändern.

Weiterhin ist auf eine Entwicklung Rücksicht zu nehmen, die auf einen internationalen Schutz der ausübenden Künstler, der Schallplattenhersteller und der Sendeunternehmen abzielt. Im Rahmen des Europarats ist am 22. Juni 1960 ein Abkommen über den Schutz von Fernsehsendungen abgeschlossen worden, das den Sendeunternehmen ein ausschließliches Recht zur Weitersendung, Festhaltung und öffentlichen Wiedergabe ihrer Fernsehsendungen gewährt. Nach langen Vorarbeiten ist ferner in Rom am 26. Oktober 1961 ein umfassendes internationales Abkommen zum Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen unterzeichnet worden, das ausschließliche Rechte für alle drei Personengruppen vorsieht. Diese Schutzrechte sind in den geltenden deutschen Urheberrechtsgesetzen entweder in anderer Form oder überhaupt nicht geregelt. Eine Ratifizierung der genannten Abkommen durch die Bundesrepublik, die bei der Ausarbeitung der Abkommen mitgewirkt und beide Abkommen unterzeichnet hat, ist daher nur möglich, wenn die deutschen Gesetze auch insoweit entsprechend geändert werden. Der Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zu dem Europäischen Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen wird gleichzeitig mit dem Entwurf des Urheberrechtsgesetzes vorgelegt; für das umfassende Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen soll der Entwurf eines Zustimmungsgesetzes vorgelegt werden, sobald in Zusammenarbeit mit Österreich und der Schweiz der offizielle deutsche Text des Abkommens fertiggestellt ist.

Die Reformbestrebungen reichen in Deutschland 30 Jahre zurück. Seit 1932 sind mehrere Entwürfe, teils vom Reichsjustizministerium und der "Akademie für Deutsches Recht", teils von privater Seite, ausgearbeitet und veröffentlicht worden. Der zweite Weltkrieg brachte diese Arbeiten zum Erliegen. Nach dern Kriege nahm das Bundesjustizministerium die Reformarbeiten wieder auf und veröffentlichte im Frühjahr 1954 - zusammen mit Referentenentwürfen eines Gesetzes über Verwertungsgesellschaften auf dem Gebiet des Urheberrechts sowie eines Gesetzes über den Beitritt zur Brüsseler Fassung der Berner Übereinkunft - den "Referentenentwurf eines Urheberrechtsgesetzes". Nach zum Teil wesentlicher Überarbeitung der Referentenentwürfen des Urheberrechtsgesetzes und des Verwertungsgesellschaftengesetzes stellte das Bundesjustizministerium im Sommer 1959 "Ministerialentwürfe" dieser Gesetze nochmals öffentlich zur Diskussion. Der vorliegende Entwurf des Urheberrechtsgesetzes beruht, ebenso wie der gleichzeitig vorgelegte Entwurf des Verwertungsgesellschaftengesetzes, auf diesen Vorarbeiten.

Die für eine Neufassung der Urheberrechtsgesetze bestehenden Gründe gelten nicht für das Verlagsgesetz. Jedoch sind einige änderungsbedürftige Bestimmungen des Verlagsgesetzes neugestaltet in den vorliegenden Entwurf übernommen (vgl. §§ 38, 139). Im übrigen ist beabsichtigt, das neue Urheberrechtsgesetz durch ein umfassendes Urhebervertragsgesetz zu ergänzen, das für alle Vertragstypen auf dem Gebiet des Urheberrechts Vorschriften enthalten soll.

S. Gesetzesfassung des Urheberrechtsgesetz vom 9.9.1965, BGBl. I 1273