US-Bürgerrechtler warnen vor ungewollten Folgen des Schutzes technischer Schutzmaßnahmen
US-Bürgerrechtler haben erneut vor ungewollten Folgen des gesetzlichen Schutzes technischer Schutzmaßnahmen gewarnt. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) legte Anfang Januar 2003 eine überarbeitete Fassung eines Berichts vor, der sich mit der Entwicklung des US-amerikanischen Urheberrechts seit Inkrafttreten des Digital Millenium Copyright Acts (DMCA) im Jahr 1998 beschäftigt. Durch den DMCA wurde in den USA erstmals ein gesetzlicher Schutz technischer Maßnahmen geschaffen, mit dem die Rechtsinhaber unerwünschte Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke verhindern wollen. Nach Auffassung der EFF haben die Regelungen den vom US-Kongress beabsichtigten Zweck verfehlt. In der Praxis hätten sie nicht Urheberrechtsverletzungen verhindert, sondern in großem Umfang rechtmäßige Verhaltensweisen beeinträchtigt. Der DMCA führe zunehmend zu einer Gefährdung der Meinungsfreiheit, beeinträchtige die Freiheit der Wissenschaft, schmälere Verbraucherrechte und sei ein erhebliches Hindernis für Wettbewerb und Innovationen. Belegt werden diese Vorwürfe in dem Bericht der EFF durch zahlreiche Einzelfälle. Die Bürgerrechtler warnen, wegen des Vordringens technischer Schutzmaßnahmen bei der Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke müsse damit gerechnet werden, dass der DMCA auch in Zukunft in unvorhergesehenen Zusammenhängen angewendet würde.
Inzwischen haben auch im US-Kongress mehrere Abgeordnete einen Vorstoß unternommen, um Verbraucherrechte im Zusammenhang mit urheberrechtlich geschützten Werken zu stärken. Eine parteiübergreifende Gruppe von Mitgliedern des US-Repräsentantenhauses um den demokratischen Abgeordneten Rick Boucher brachte Anfang Januar 2003 den Entwurf eines Digital Media Consumers' Rights Act (DMCRA) ins Gesetzgebungsverfahren ein. Der Gesetzentwurf will Verbrauchern in bestimmten Fällen die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen erlauben, wenn das für Nutzungen zu privaten Zwecken erforderlich ist. Das in den USA im Jahr 1998 durch den Digital Millenium Copyright Act (DMCA) eingeführte grundsätzliche Verbot der Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen würde damit teilweise aufgehoben. Boucher warnte anlässlich der Einbringung des Gesetzentwurfs, der Grundsatz des "Rechts auf angemessene Nutzung" ("fair use doctrine") sei "heute bedroht wie nie zuvor". Das US-amerikanische Urheberrecht habe in der Vergangenheit immer ein "sorgfältig ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen Urhebern und Verbrauchern gewährleistet". Der DMCA habe dieses Gleichgewicht "dramatisch zu Gunsten eines vollständigen Urheberrechtsschutzes auf Kosten des Rechts der Verbraucher zu einer angemessenen Nutzung" verschoben.
Der Schutz technischer Schutzmaßnahmen ist in § 1201 des U. S. Copyright Act (USCA) geregelt, der 1998 durch den DMCA neu geschaffen wurde. Nach der Vorschrift ist die Umgehung technischer Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Werke grundsätzlich untersagt. Ein Verstoß gegen dieses Verbot löst nicht nur zivilrechtliche Schadensersatzansprüche aus, sondern kann nach § 1204 USCA auch mit Geldstrafe von bis zu 500.000 US-Dollar oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist allerdings, dass der Verstoß vorsätzlich und zu gewerblichen Zwecken ("purposes of commercial advantage") oder aus privatem Gewinnstreben ("private financial gain") erfolgt. Ausnahmsweise zulässig ist die Umgehung technischer Maßnahmen nur in einer abschließend geregelten Anzahl von Fällen, beispielsweise für Zwecke der Verschlüsselungsforschung. In Deutschland ist die Zulässigkeit technischer Schutzmaßnahmen bisher gesetzlich nur für Computerprogramme geregelt. Entsprechende Bestimmungen für andere Werkarten sollen in das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) aber bei Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie eingefügt werden, die die EU-Mitgliedsstaaten zur Schaffung entsprechender Regelungen verpflichtet. Besonders umstritten ist bei der Umsetzung das Verhältnis technischer Schutzmaßnahmen zu den Schrankenbestimmungen des Urheberrechts.
Dokumente:
- Bericht der EFF v. 2.1.2003
- Digital Millenium Copyright Act (DMCA) of 1998
- U.S. Copyright Act (U.S.C. Title 17)
- EU-Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (EU-Urheberrechtsrichtlinie), 2001/29/EG, konsolidierte Fassung
Institutionen:
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