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20.02.2003; 20:01 Uhr
Österreichischer Oberster Gerichtshof erklärt "Deep Linking" für zulässig
Mangels Urheberrechtsschutz für eingebundene Seiten - Auch Ansprüche aus Wettbewerbsrecht abgelehnt

Das nicht gekennzeichnete Einbinden fremder Internetseiten in eigene Internetangebote ("Deep Linking"), muss nicht in jedem Fall urheberrechts- oder wettbewerbswidrig sein. Das stellte der Oberste Gerichtshof Österreichs (ÖOGH) durch eine am 19.2.2004 veröffentlichte Grundsatzentscheidung klar (Az. 4 Ob 248/02b). Gleichzeitig hoben die Richter eine abweichende einstweilige Verfügung auf, die das Landesgericht Steyr (LG) Ende Juni 2002 erlassen und das Oberlandesgericht Linz (OLG) Ende August 2002 bestätigt hatte. Beide Instanzgerichte hatten erklärt, bei "Deep Linking" handele es sich um einen Fall unlauteren Wettbewerbs unter den Gesichtspunkten der vermeidbaren Herkunftstäuschung und der Rufausbeutung. Der ÖOGH meinte dagegen, die umstrittene Seitengestaltung sei im Fall wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Einen Abwehranspruch gegen das "Deep Linking" aus urheberrechtlichen Gesichtspunkten, mit denen sich die Richter ausführlich auseinander setzten, lehnte das Gericht ebenfalls ab. Die Entscheidung des ÖOGH ist rechtskräftig. Wegen ihrer ausführlichen Begründung ist nicht zu erwarten, dass die unterlegene Partei in der Hauptsache Klage erhebt.

Einstweiligen Rechtsschutz hatte im Fall ein österreichisches Unternehmen beantragt, das im Internet unter der Adresse "meteodata.com" laufend umfangreiche Wetterkarten und Wettervorhersagen für einzelne europäische Länder, Regionen und größere Städte anbietet. Dabei waren alle im Internet angebotenen Wetterkarten mit einem Urheberrechtsvermerk verwiesen, der mit der Hauptseite des Internetangebots des Unternehmens verknüpft war. Ein anderes Unternehmen hatte in seinem eigenen Internetangebot eine Reihe von Wetterkarten von "meteodata.com" so eingebunden, dass die Karten in dem Internetangebot betrachtet werden konnten, ohne dafür in den Internetauftritt des Wetterdienstes wechseln zu müssen. Mit der jeweiligen Wetterkarte wurde dabei auch jeweils der beschriebene Urheberrechtsvermerk angezeigt. Für den Benutzer war bei Nutzung des Internetangebots allerdings nicht ohne weiteres bemerkbar, dass fremde Seiten in das Angebot eingebunden waren. Nachdem der Wetterdienst vergeblich ein Nutzungsentgelt für die Einbindung seiner Seiten verlangt hatte, machte er gerichtlich Unterlassungsansprüche geltend.

In dem Rechtsstreit warf der Wetterdienst dem anderen Unternehmen vor allem unlauteren Wettbewerb vor. In dem nicht gekennzeichneten Einbinden der fremden Seiten liege eine glatte Leistungsübernahme. Das beklagte Unternehmen mache sich in sittenwidriger Weise ein Arbeitsergebnis zunutze, das unter erheblichem Einsatz von Arbeitskräften und Fachwissen erstellt worden sei. Durch das Einbinden werde der Wetterdienst außerdem in seinem Absatz behindert. Die Leistungsübernahme führe für den Betreiber von "meteodat.com" zu niedrigeren Abrufzahlen, geringeren Werbeeinnahmen und einer Verringerung der Anzahl zahlender Kunden. Außerdem berief sich der Wetterdienst darauf, sein Internetangebot sei als Datenbankwerk urheberrechtlich geschützt. Das beklagte Unternehmen behauptete dagegen, das Einbinden der Seiten fördere sogar das Internetangebot des Wetterdienstes. Weil unter jeder Wetterkarte der als Verknüpfung ausgestaltete Urheberrechtsvermerk angezeigt werde, seien sogar mehr Zugriffe auf die Seiten von "meteodat.com" zu erwarten. Durch den Urheberrechtsvermerk werde außerdem klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Karten ein Angebot der Klägerin seien.

Der ÖOGH schloss sich der Beklagten im Ergebnis in allen Punkten an. Ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch scheide im Fall bereits deshalb aus, weil die Karten des Wetterdienstes mangels Schöpfungshöhe kein urheberrechtlich geschütztes Werk seien. Die Seiten gingen über eine rein handwerkliche, routinemäßige Leistung, die sich im Rahmen des Alltäglichen und Üblichen bewege, nicht hinaus und entbehrten individueller Gestaltungselemente. Die ungeklärte Frage, ob die digitale Werkvermittlung unter das Verwertungsrecht der Vervielfältigung und Verbreitung oder unter jenes der öffentlichen Wiedergabe falle, könne deshalb im Fall offenbleiben. Im Einbinden der Seiten liege unabhängig von der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit auch keine Leistungsübernahme. Die Beklagte ermögliche es lediglich Dritten, auf die Seiten der Klägerin auf vereinfachte Art und Weise zuzugreifen. Auch werde kein fremdes Arbeitsergebnis erschlichen, durch Vertrauensbruch erlangt oder zwecks Behinderung eines Mitbewerbers systematisch nachgeahmt. Wegen der Urheberrechtsvermerke sei auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung oder Rufausbeutung zu verneinen.

Dokumente:

[IUM/jz]

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